Zerlumpte Inselwelt – Ragged Islands

„Ragged“ heißt „zerlumpt“. Eine Kette von felsigen Cays, Inseln mit vielen vorgelagerten Riffen.  Über die Ragged Islands – von dort ist es nicht mehr weit nach Kuba – berichtet der Sailing Guide Interessantes. Die wenigen auf der Hauptinsel Ragged lebenden Einwohner seien schon so lange auf sich selbst gestellt, dass sie unabhängig vom Rest der Bahamas und anders seien. Nur wenige Segler und kaum Tourismus soll es dort geben. Wir sind gespannt, als wir den Anker bei Sonnenaufgang lichten und die etwa 80 Seemeilen nach Ragged angehen.

 

Die Überfahrt geht bei gutem raumen Wind und dem entsprechend geshifteten Code Zero zügig.

Wieder einmal staunen wir über die Geographie hier. Inmitten von über 1000 m Wassertiefe liegt die Diana Bank mit Tiefen zwischen etwa 11m und 182m. Eine kabbelige Welle macht das Passieren unangenehm.

Wir steuern den Kanal zwischen der Privatinsel Little Ragged und der Insel Ragged als ersten Liegeplatz an. Und zwar mitten hinein in den Kanal, denn draussen in der Bucht hat es viel Schwell. Tatsächlich sehen wir im Kanal ein Motorboot und einen Katamaran vor Anker, ein dritter ankert seitlich vor dem Kanal im Flachwasser.

Nur – wie sind die dort hin gekommen?

Von Südwesten kommend müssen wir bei der Ansteuerung ausholen, um vorgelagerte Riffe zu vermeiden. Die gibt es zuhauf im Gebiet der Ragged.

Google Earth Bild des Kanals zwischen Ragged und Little Ragged Islands. Wir ankern für 2 Nächte genau in der Mitte zwischen den 2 Inseln.

Keine unserer Karten zeigt ausreichend Wassertiefe, um dort hinein zu kommen. Und auch der Tiefenmesser schlägt bei den ersten Versuchen Alarm. Wir haben gerade beschlossen abzudrehen, als uns die Crew vom Katamaran Duende per Funk Unterstützung gibt. Sie nennen uns 2 Ansteuerungspunkte. Damit funktioniert die Einfahrt durch den schmalen Kanal zwischen den Flachs, die laut Karte nur 0,3m Tiefe bei Niedrigwasser haben. Tatsächlich hatten wir nie weniger als 1,7m.

Auf unserer (Anker-) Seite der Kalksandsteinfelsen Flachwasser, dahinter der tiefe Atlantik. Beim Schwimmen und Schnorcheln spüren wir, dass hier Wasser aus großer Tiefe herein strömt. Denn das Wasser ist deutlich kälter.

Wir ankern in einer surrealen Umgebung. Weiß leuchtende Kalksandsteinfelsen markieren, wo das vorgelagerte Riff die Atlantikwellen bricht. An unserer Steuerbordseite leuchtend weißer Sandstrand. Mit Sand so fein wie Puderzucker. Dazwischen schwarze und rotbraune poröse Felsen. Geologe müsste man sein, um sich deren Entstehung erklären zu können.

Traumhafte Bilder….

… gibt es, wenn man von einer kleinen Anhöhe auf Little Ragged Islands rundum blickt! Aber nur in unserem Kopf – wir haben bei unserem Ausflug keine Kamera dabei. Und extra noch einmal los und so weit laufen – will keiner von uns. Daher müsst ihr euch mit unserer verbalen Beschreibung bescheiden und versuchen, es euch irgendwie vorzustellen.

Der Captain macht allein einen Schnorchelgang zum vorgelagerten Riff. Und berichtet, ihm sei ein 2,5m langer Hai begegnet. Wer sich mehr erschrocken hat ist unklar, jedenfalls hat der Hai sich schleunigst verzogen. Klar ist, dass man an seinem Ankerplatz nicht Fisch- und Fleischabfälle von Bord ins Meer entsorgt, wenn man nicht ein Mitglied der diversen Haipopulation der Bahamas am Schiff haben möchte.

Gegen Nachmittag treffen die Flora und die Easy One ein. Beides Monhulls, mit einem um rund 1m größeren Tiefgang als INVIA. Der captain übermittelte der Flora schon zuvor die beiden Ansteierungspunkte und einige Screenshots unseres Tracks auf der Karte. Aber die beiden treffen bei Niedrigwasser ein und haben verständlicherweise Bedenken, sich hinein zu trauen. Sie ankern draussen „vor der Tür“.

Hog Cay

Auf dem Weg zum nächsten Ankerplatz Hog Cay wollen wir eigentlich einen Ankerstopp an der Westküste von Raggged einlegen und den einzigen Ort besuchen, Duncan Town. Ein langer Mangrovenkanal führt zum Ort. Schiffbar für Invia ist der nicht, aber mit dem Dinghy können wir rein. Nur: Der Tidenstand ist ungünstig, wir haben grade ablaufendes Wasser. Der captain hat zwar keine  Bedenken am potentiellen Ankerplatz, wohl aber für die Tiefen dahinter. Wir wären ggf. bis zum steigenden Wasser gefangen, wenn unser Ausflug zu lange dauerte. Also abdrehen und rechtzeitig bei steigendem Wasser wieder kommen.

Strand bei Hog Cay Ankerbucht

Als wir uns dem Ankerplatz in der Middle Pen Bay nähern, zählen wir 6 Schiffe vor Anker. Doch nicht so einsam. Die Bucht vor Hog Cay ist aber auch wunderschön. Und bietet guten Schutz bei dem zum Wochenende heranziehenden starken Nordwind.

Warten auf den Sturm

Wie auch auf Little Ragged haben Segler einen Grillplatz angelegt. Dieser ist allerdings feudaler: Hog Cay Yacht Club heißt es auf dem Schild einer Art Picknikhütte mit Tisch und zusammen gewürfelten Stühlen. Rita und Will geben uns rechtzeitig Bescheid, dass hier jeden Abend um 18 Uhr Treffen zum Sundowner ist. Zu dem kommen fast alle. Und so sehen wir auch Wiebke und Ralf von der Flora wieder und Andrea und Ingo von der Easy-One. Schön dass wir die kommende Front nicht allein abwettern werden.

Schon seit ca. 10 Tagen wird für das kommende Wochenende der Durchzug einer Front bzw. eines Starkwindgebiets vorhergesagt. Die Vorhersage wird täglich präziser und bleibt dabei, also heisst es auch für uns: Vorsorge treffen!

Der oben erwähnte Kanal zwischen Ragged und Little Ragged wäre für viele Wetterlagen, auch für das was kommen soll, ein hervorragend geschützter Ankerplatz. Aber hier bei Hog Cay ist es schön und wir haben sehr nette Gesellschaft – wir werden daher hier abwettern. Zwar erwartet der captain hier etwas mehr Schwell aus Norden, aber dramatisch dürfte es nicht werden. Sehr windig wirds an jeder Stelle, weil die Inseln viel zu flach sind, um gegen den Wind Schutz zu bieten.

Kalksandsteinfelsen in Hog Cay
Am Strand von Hog Cay

Rita erweist sich als wahrer Tourguide für die Inselwelt. Sie kommt seit Jahrzehnten her und hat ehemals einige der Wanderpfade selbst ausgeschnitten. Zu erkennen sind die an Strandgut, das als Wegmarkierung auf die Sträucher gesteckt ist.

Wanderwegmarkierung

Erstaunlich viele linke Schuhe sind dabei, während rechte Mangelware sind. Ob das an Schuhform und Strömung liegt? Auch einige Kuscheltiere sehen wir. Sich vorzustellen, dass ein kleines Kind sein Kuscheltier auf See oder am Strand verloren hat und dann alleine einschlafen musste…

Wegmarker
Pfade auf Hog Cay. Der Captain macht sich gut als Hahn im Korb inmitten einer 4er Frauengruppe
Wir allein ohne Ritas Führung hätten uns wahrscheinlich auf diesen Pfaden nicht zurecht gefunden. Der Bewuchs ist recht gleichförmig und so hoch, dass man nicht drüber sehen und sich orientieren kann.

Einer der zahlreichen Strände von Hog Cay

Die Seagrapes, die wir bereits vom letzten Jahr in den USVI kennen, sind nun reif bis überreif. Tatsächlich sehen sie aus wie kleine blaue Trauben. Haben aber nur wenig Fruchtfleisch und Saft um einen Kern. Es muss mühsam sein, daraus Marmelade zu kochen, wie es die Einheimischen tun.

Auf der Suche nach Seagrapes. Man sieht hier Mauerreste aus früheren Besiedlungszeiten. Wie mühsam das Aufschichten gewesen sein muss. Und wie stabil, denn die Mauern haben Hurrikans überstanden.

Beim abendlichen Seglertreffen erfahren wir, wie die Versorgung mit frischen Lebensmitteln funktioniert. Das Mailboot bringt samstags bestellte Ware. Man kann online selbst eine Lieferung ordern, muss das aber rechtzeitig im Voraus tun. Details weiß Maxine in Duncan Town. Ihr gehört ein kleiner Laden nahe beim Dock. Die Cruiser versichern mir, die Einheimischen würden für sich selbst genug bestellen. Wir könnten daher guten Gewissens auch Frischware bei Maxine kaufen. Schließlich wolle sie ja Geschäft machen.

Bei einer Wanderung unter Ritas kundiger Führung sehen wir am nächsten Tag, wo an der Ostküste von Ragged Island das Mailboot anlandet. Puuh, einfach sieht das Ansteuern in der Rifflandschaft an der Windward Seite nicht aus. Angesichts des für Samstag vorher gesagten starken Nordwinds kann auch durchaus sein, dass das Boot erst später eintreffen wird. Die Bewohner der abgelegenen Inseln sind dergleichen gewohnt. Angesichts der schwierigen Versorgungslage ist wenig verständlich, dass die Inselbewohner nicht mehr Obst und Gemüse selbst anbauen. Rita meint, das komme erst langsam wieder. Allgemein herrsche noch die Ansicht, die Gartenarbeit sei Slavenarbeit, nichts für einen Bahamaer.

Windwardseite Hog Cay
Blick auf aus einer kleinen Höhle am Strand, im Hintergrund INVIA

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