Gefährliches St Vincent

Wir überlegen lange, ob wir die Hauptinsel  St Vincent länger besuchen sollen, oder nur einen kurzen Stopp zum Einklarieren machen und dann weiter auf die Grenadinen. Wir haben viel gelesen über die Zahl der Diebstähle hier. Auch Raubüberfälle auf Yachties hat es in der Vergangenheit gegeben. In der Wallilabou-Bay, bekannt als Piratenhauptquartier im Film „Fluch der Karibik“, wurde 2016 gar ein deutscher Segler bei einem Überfall erschossen.

Zu Diebstählen kommt es auch anderswo. In Le Marin auf Martinique trafen wir kürzlich Jean-Pierre wieder, den ehemaligen Skipper bei Outremer. Der z.B. Neueigner  – so auch uns – in den ersten Tagen in die Handhabung einer Outremer einwies. Wir hatten ihn schon im Januar getroffen, da hatte er (bzw. die von ihm geführte Outremer 5X) noch Dinghy und Aussenborder. Zufällig trafen wir ihn wieder, aber ohne Beiboot. Das hatte man ihm, mitsamt dem neuen Honda 20PS Aussenbordmotor, in Le Marin gestohlen.

Nun sind Diebstähle eine Sache. Brutale Gewaltanwendung & Raubüberfälle aber sind eine andere Kategorie – vor der ich einen Heidenrespekt habe. Andererseits ist es eine Zeit lang her, und St Vincent soll sehr schön sein. Wir sind hin- und hergerissen.

Aber der Reihe nach:

Zunächst mal trifft am Sonntag die Baradal in der Rodney Bay ein. Ulli und Martina werfen nach Dienstschluss der Zoll- und Immigrationsbehörde den Anker, müssen eigentlich unter Q-Status an Bord bleiben bis sie am Montag morgen einklarieren können. Wir „schmuggeln“ sie mit unserem Dinghy in den Hafen und gehen zusammen bei Elena´s leckere Holzofen-Pizza essen. War ein netter Abend, und die Pizza schmeckte (fast) so wie in Italien!

Tags drauf ist mal Schiffsputz und –wartung, sowie ein paar Einkäufe angesagt.

Deutsche Milch, gekauft in St Lucia

Dienstag gehen wir dann 18 sm südlicher, zurück in die Souffriere Bay.

Fader Beigeschmack beim Ausklarieren in der Souffriere Bay

Dort können wir auch aus St Lucia ausklarieren. Nett, den Ort wieder zu sehen – aber irgendwie wars auch anders. Sehr geärgert habe ich mich über den Mitarbeiter der Immigrationsbehörde (und im Nachhinein auch über mein eigenes Verhalten). Während beim Zoll alles zackig und regelkonform ablief, bestand der Mitarbeiter bei der Passkontrolle auf einer Gebühr von 40 EC$. Umgerechnet etwa 13 €uro. Diese Gebühr war zuvor immer nur beim EINklarieren fällig, und es gab eine ordentliche Quittung. Beim letzten Mal AUSklarieren war hingegen keine Zahlung fällig. Ich frage erstaunt nach – und bezahle am Ende. Der Mitarbeiter war zu dem Zeitpunkt alleine in seinem Büro, und mir war sofort klar dass er das Geld für sich haben wollte. Zumal er keine Kasse o.Ä und auf 50 EC$ kein Wechselgeld hatte. Quittung gabs logischerweise auch nicht.

Ich bin strikt gegen die Zahlung von Schmiergeldern, das macht nachfolgenden Seglern nur das Leben schwer. Wir Segler sollen und müssen hier an einem Strang ziehen! Nun hat der Kerl aber nicht nach einem Bakschisch gefragt. Sondern schlichtweg im Brustton der Überzeugung die offizielle EINklarierungsgebühr fürs AUSklarieren verlangt. Ich hadere lange mit mir. Ärgere mich, so schnell nachgegeben zu haben. Andererseits: Was soll man in diesem Fall tun? Ich wollte einfach keinen Ärger an unserem letzten Abend in St Lucia.

Auf nach St Vincent

Am Mittwoch lösen wir im Morgengrauen um 06:30 die Boje und nehmen Kurs auf St Vincent. Bei 6 Bft Windstärke auf raumen bis Halbwindkurs fliegt INVIA mit durchschnittlich 11kn dem Ziel entgegen. Wie zu erwarten, nimmt der Wind an der Nordspitze von St Vincent zu – hier auf 7 Bft  – da der Kapeffekt wirksam wird. Inzwischen kann ich mich gut darauf einstellen, die starken Kapeffekte hatten wir schon auf den Kanaren und den Kapverden. Ich steuere, wenn ich mich auf AmWind oder Halbwindkurs so einem Kapp nähere, schon im Vorfeld einen Kurs höher am Wind als nötig. So kann ich die letzten Meilen vor einer Inselspitze, wo der Kapeffekt besonders wirksam ist, einfach etwas (idR um die 30 Grad) abfallen und habe den Wind raumschots von hinten. Was den AWS (scheinbaren Wind) deutlich reduziert und uns ein weiteres Reffen erspart.

Der Plan ist, erstmal in Chateaubelair im Norden der Insel kurz zu ankern, um einzuklarieren. Und dann weiter sehen:  Was sagt unser Bauchgefühl? Können wir es wagen, hier zu bleiben? Oder sollen wir gleich auf die nächste Insel weiter? Darum der frühe Aufbruch. Mir ist wichtig, ein ordentliches Zeitpolster zu haben selbst wenn die capitania nie begeistert ist, wenn ich so früh am morgen Action ansage.

Chateaubelair
Chateaubelair, George zeigt uns den Ankerplatz

Einklarieren könnten wir auch etwas südlicher in der sehr schönen Wallilabou-Bay. Aber da wurde, wie gesagt, 2016 ein deutscher Segler ermordet.

Dort soll es häufiger zu Diebstählen gekommen sein. Irgendwie wollen wir da nicht hin.

Bereits bei der Anfahrt nach Chateaubelair verlieben wir uns in die wunderschöne Landschaft dieser Insel.  George kommt mit einem (vermutlich irgendwo geklautem?) SuP Brett angepaddelt, er schafft es gar die INVIA, welche mit 5 kn unter Motor in die Bucht einbiegt, einzuholen. Er erklärt mir, der von mir angestrebte Ankerplatz direkt vor der Zoll- und Immigrationsbehörde sei nicht gut weil wenig Sand. Ich solle etwas weiter nördlicher auf 7m Wassertiefe ankern, das ging gut. Mache ich auch, der Anker hält auch sofort.

Während ich mich parat mache an Land zu gehen, kommt sein Kumpel Fitz dazu, ebenfalls auf einem SUP Brett angepaddelt. Wir kaufen ihm 2 Grapefruits ab und geben ihm dafür und für die Ankertipps von George 10EC$. Sie sind sichtlich erfreut, versuchen aber immer mit ein paar Ausreden zu erreichen, dass wir sie an Bord holen. Zum Beispiel indem sie fragen, ob wir etwas zu trinken für sie haben. Als sie auf Nachfrage Saft erbitten, überreichen wir Fitz auf sein Standuppaddel eine Tüte Orangensaft, auch wenn das schon irgendwie komisch ist. Denn an Bordkommen von Fremden ist in solchen Situationen ein NoGo für uns. Zeigt man so doch potentiellen Dieben erst, was es zu holen gibt. Irgendwie haben wir ein komisches Gefühl, aber uns beiden ist klar, dass dieses Gefühl vornehmlich durch das Wissen um die Vorfälle in der Vergangenheit ausgelöst wird. Fitz jedenfalls lässt sich eine eventuelle Enttäuschung nicht anmerken, stellt Martinique als Herkunft der Safttüte fest und zieht mit George von dannen.

Das Einklarieren in Chateaubelair:

verläuft ausgesprochen freundlich und zügig. Alles sauber, alles korrekt, ich werde auf die Gebührentafel hingewiesen und mir wird für alles eine Quittung ausgestellt., und ich solle auf keinen Fall dieses Büro ohne die Quittung verlassen. Ich spreche eine Beamten auf die Sicherheitslage an. Er meint: Hmm, ist die Schweiz das Land in dem Milch und Honig fliesst?  Schliesst dort niemand sein Haus ab? Eben – und deswegen sollten auch Yachties hier in St Vincent ihr Schiff und ihr Eigentum sauber abschließen. Wo er Recht hat, hat er Recht.
Wir gehen wieder Anker auf, nur ums Eck in die nächste Bucht:

Cumberland Bay

ist nur 1,3 sm nördlich vor der Wallilabou Bay.  Eine dramatisch schöne Landschaft- und es liegen schon etliche andere Segler darin. Wir wagen es! Da legen wir uns dazu.

Einfahrt in die Cumberland Bay
Ankern in der CumberlandBay
Panoramabild der Cumberland Bay
Cumberland-Bay
Ankern in der CumberlandBay

Der Ankergrund steigt erst kurz vor dem Ufer sehr schnell von ca. 20m Tiefe an. Ankern geht nur mit Landfeste. Das Ausbingen derselben ist kein Problem, zahlreiche hilfreiche Geister buhlen darum.

Wichtig ist immer bei so etwas:
Sich für EINEN entscheiden, dessen Hilfe man möchte und von dem man dann meist auch in der Zukunft die eine oder andere Dienstleistung in Anspruch nimmt. Im Bild unten wie auch im Titelbild gut zu sehen: Eine unsere beiden orangefarbenen Schwimmleinen. Sehr zu empfehlen, denn Schwimmleinen bekommt man nicht so leicht in die Schraube. Und die Signalfarbe Orange warnt andere.

Marktboote in der Cumberland Bay

Die Fortsetzung gibts hier!

Komplette Fotogalerie:

2 Antworten auf „Gefährliches St Vincent“

    1. Hallo Uli, Grüße nach Bequia! Wir können ja nur für die Cumberland Bay sprechen. Und da fühlen wir uns inzwischen richtig wohl. Klar gibt es ein paar Gestalten, denen man alleine nicht begegnen wollte. Aber etliche davon erwiesen sich als nette Typen. Und man kennt sich inzwischen, das macht es leichter. Also am besten nicht nur eine Nacht bleiben.

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