Ablaufen vor dem Sturm?

Was macht man, wenn ein Sturm aufzieht und die Insel bedroht, vor deren Küsten man ankert? Man läuft ab, segelt also dem Sturm davon. Was macht man, wenn der aufziehende Sturm ein kleiner wendiger Giftzwerg ist, wendig wie ein kleiner Sportwagen und ständig seine Richtung ändert? Dann wird es schwierig. Gonzalo war so ein Sportwagen.

Nicht nur Gonzalo plagt. Der captain hatte einen positiven Covid Schnelltest. Keine Chance den Ankerplatz zu wechseln. Wir müssen zunächst das Ergebnis seines PCR Covid Tests abwarten, entnommen tief oben bzw unten aus Nase und Rachen. Mittwoch nachmittags kommt die gute Nachricht von der MAYAG: Der PCR Test ist negativ, kein Covid.

Wir dürfen einklarieren. Das macht der captain umgehend. Barfuss, denn vor lauter Aufregung über all die Testerei ist er ohne Schuhe ins Dinghy gestürmt, um endlich einzuklarieren und frei in der Bewegung zu sein. Etwas verdutzt stellt er fest, dass lediglich die normale Einklarierungsgebühr von 85 EC zu bezahlen ist. Was ist mit den Gebühren für den Covid-Test? Eine Nachfrage beim zuständigen Team ergibt: Die Rechnung kommt per Email. Irgendwann. Unsere Freunde von der S/Y Dragonfly, mit denen wir uns gleich abends zum Essen verabreden, sind schon 3 ½ Wochen länger hier und wurden bisher auch noch nicht zur Zahlung aufgefordert.

Irgendwie auch schön, dass uns Cruisern hier soviel Vertrauen entgegen gebracht wird. Und gar nicht genug loben können wir den Einsatz der 3 Frauen, die für die MAYAG Ankunft und Tests der Segler organisieren. Sogar nachts erhielten wir Emails. Denn die 3 arbeiten und managen neben ihrer regulären Arbeit die große Anzahl an Yachten, die Zuflucht in Grenada suchen.

Der nächste Nerventest

Nachdem sich die Aufregung über die Testerei gelegt hat, steht der nächste Nerventest an. Schon fast stündlich verfolgen wir am Donnerstag die Vorhersagen für Gonzalo. Er soll klein im Durchmesser bleiben. Er kann zum Hurrikan hochgestuft werden, kann aber auch „nur“ Tropensturm sein, dh weniger Windstärke haben, aber trotzdem viel Regen bringen. Ansonsten widersprechen sich die diversen Wetter-Modelle. Möglich ist eine Auflösung ebenso wie ein Durchzug des Kerns irgendwo zwischen dem Norden Grenadas und St Lucia. Wir fahren mit dem Dinghy nach St George’s und danach mit dem Minibus zur Spiceland Mall, verproviantieren uns und hoffen fest auf das Gute: Gonzalo wird nördlich an Grenada vorbei ziehen und wir werden sicher sein.

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Am Freitagmorgen sind sich die Modelle ausreichend einig: Gonzalo hat sich südwärts orientiert – und wird über Grenada ziehen.

Was tun?

Den Anker raus ziehen und vor dem Sturm südwärts Richtung Trinidad ablaufen, so wie das etliche Segler erwägen?
Draußen sein auf offener See mit böigen Winden, viel Regen und der Ungewissheit, ob Sportwagen Gonzalo einen erneuten Schlenker fährt?

Das, was früher bei der Diskussion solcher Situationen unsere Strategie gewesen wäre erweist sich als emotional schwierig. Alternativen müssen her.

Zunächst ankern wir uns am frühen Freitagmorgen in eine geschütztere Bucht um, stecken viel Kette, fahren den Anker ordentlich ein. Nehmen das Vorsegel herunter, um ein Herausreißen durch Starkwind zu vermeiden. Denn das würde INVIA in Bewegung setzen und den Anker heraus reißen. Binden unser Großsegel in seiner Segeltasche fest, um auch das vor Herausreißen zu sichern. Binden lose Teile fest, nehmen unseren Sonnenschutz ab. Gonzalo soll den nicht bekommen.

Und erhalten von Grenada Marine die Nachricht, INVIA könne noch am Freitag, vor prognostizierter Ankunft von Gonzalo, aus dem Wasser geholt und auf dem Marinagelände an Land festgezurrt werden. Wir nehmen das Angebot an und stellen beide fest, wie erleichtert wir sind. Planung für den worst case ist das eine.

Den worst case in der Realität vor Augen zu sehen, fühlt sich denn doch anders an.

Wie von der Marina zugesagt werden wir um 17 Uhr aus dem Wasser geholt. INVIA wird fast ganz hinten im Marina Gelände aufgebockt. Weit entfernt vom Wasser, umgeben von Regenwald und Bergen. Sehr gut geschützt und wunderschön. Den ganzen Abend machen die Baumfrösche ihr lautes Konzert ähnlich dem der Grillen im Mittelmeerraum.

Noch während INVIA aufgebockt wird, beginnt der Regen. Es schüttet. Alles ist nass.

Wenn man von draussen ins Schiff läuft bringt man Nässe mit, nichts bleibt ohne Feuchte. An putzen und Schiff für die Heimreise vorbereiten ist unter den Bedingungen nicht zu denken. Ohnehin sind wir aber hundemüde. Morgen sehen wir weiter, Samstag soll Gonzalo kommen, erstmal das erledigen….

In der Nacht ziehen Gewitter mit heftigen Böen über uns. Aber sie hören auch wieder auf. Noch kein Sturm. Am frühen Morgen der obligatorische Blick auf die Wind Vorhersage. Gonzalo soll südlich von Grenada durchziehen und hat an Kraft verloren, gar kein Gift mehr hat er, der fiese Kerl! Alle Aufregung umsonst?

Da ohnehin alles nass ist packen wir für unseren Aufenthalt im Appartement. Wegen Covid darf man derzeit nicht mehr als 2 Tage auf dem Marina Gelände übernachten. Geteilte sanitäre Anlagen werden als Infektionsrisiko gesehen. Aber wir dürfen im Appartement ausserhalb  übernachten und tagsüber am Schiff arbeiten.

Immer mehr wird klar:
Der Sturm in Grenada fällt aus. Am Samstagnachmittag regnet es zwar, aber der Wind hat gewöhnliche Stärke. Was wohl aus den Seglern geworden ist, die vor dem Sturm nach Trinidad abgelaufen sind? Der Sturm ist entgegen den Vorhersagen, die bis Freitag galten, überTobago und Trinidad gezogen. Mit viel Regen – aber ohne Schäden. Nur brachte dieser Ablauf für die Segler nicht nur mieses Segelwetter. Er brachte die Segler auch in Schwierigkeiten mit der Coastguard von Trinidad. Denn dessen Grenzen sind wegen Covid geschlossen. Trinidad hatte ganz klar gesagt: Nur bei Gefahr für Leib und Leben darf unser Hoheitsgebiet befahren werden. Noch wissen wir nicht, wie das ausgegangen ist. Aber wir wissen : Wir und INVIA sind sicher. Und wir haben viel gelernt in den letzten Tagen.

Und ganz zum Schluss noch ein happy end: Wir sind sehr herzlich von unserer Schweizer Vermieterin Eveline Verdier willkommen geheißen worden als Mieter ihres kleinen Apartments in der L’Anse aux Epines Nähe University Club. Wie das gute Schweizer Tradition ist hat sie für den Sonntag feinen Butterzopf gebacken. Und uns einen noch ofenwarm gebracht! Da werden wir morgen gut gestärkt zur INVIA fahren und sie weiter für das Einlagern vorbereiten.

Unser Sonntags Butterzopf

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