Stimmungen und Captain´s Durchsage zur Hurricanesaison

Stimmungsänderungen spürt man in einer kleinen Welt schnell. Unsere kleine Welt hat sich seit dem letzten Blogbeitrag verändert. Invia hat einen neuen Liegeplatz. Es gibt neue Nachbarn mit neuen Gepflogenheiten. Und es gibt neue Anweisungen vom Governor der US Virgin Islands.

 

Oft hatten wir den Eigentümer der Tiki Bar am Maho Beach gelobt. Er ließ sein WiFi laufen und verhalf uns damit zu Verbindungen mit Familie und Freunden und zur aktuellen Nachrichtenlage. Pünktlich zum Monatsende März gab es leider kein WiFi mehr. Der Governor hatte die Schließung von Strandbars verlängert und Strafen für Verstöße angekündigt. Damit war wohl für den Bareigner klar, dass die diesjährige Saison gelaufen ist. Die Menschen hier kämpfen nicht nur mit ausbleibendem Verdienst. Sie sehen die nächste Hurrikanzeit kommen ohne für Schutzmaßnahmen gegen Stürme Geld beiseite legen zu können.

Blick ins Gelände der (geschlossenen) Tiki Bar. Leider wurde das WiFi inzwischen auch abgeschaltet.
Unser bisheriger WiFi Spender

Nachdem unser Premiumplatz vor dem Maho Beach in einem Funkloch liegt, mussten wir uns einige hundert Meter weiter in die Francis Bay verlegen. Hier gefällt es uns zwar weniger gut als vor dem Maho Beach. Aber wir liegen besser geschützt vor dem für die nächsten Tage vorhergesagten Nordschwell. Und wir haben dank lokaler Viya Sim unlimitiertes Datenvolumen. Auch unsere Google Fi wählt sich hier ins Netz. So können wir die weitere Entwicklung verfolgen.

Und lesen einige böse Kommentare der Bewohner von St John. Sie fürchten, die Segler könnten das Coronavirus einschleppen, würden Land und Meer verschmutzen. Die Einwohner von St John hätten durch die ungewohnt große Anzahl an Seglern Probleme, aber keine Vorteile. Gerade wegen solcher Posts sehen wir sehr ungern die „6 feet apart bar“, die der Nachbarlieger am Heck seines Kats eingerichtet hat. Zulauf hat er. Und auch eine Sundowner Runde mit etlichen Dinghies rund um die Pay Station Plattform muss aus unserer Sicht nicht sein. Immerhin müssen die Bewohner von St John zu Hause bleiben und verdienen die Betreiber der geschlossenen Strandbars nichts. Da ist aus unserer Sicht angebracht, Ruhe zu bewahren und den Bewohnern nicht neuen Stoff für kollektive Schelte auf die Segler zu liefern. Offenbar sind aber inzwischen die Segler rundum überwiegend der gleichen Meinung, denn heute gab es keine Sundowner Runde an der Pay Station.

Zum Glück gibt es auch die andere Seite. Etliche Locals helfen uns Seglern aktiv. Sie organisieren unsere Müllentsorgung und haben verschiedene Lieferservices auf die Beine gestellt.

Auch wir werden uns die nächste Lebensmittelfuhre liefern lassen und nicht mehr selbst in den Ort zum Einkaufen gehen. Je weniger Kontakte, desto eher wird man die weitere Ausbreitung des Coronavirus stoppen können. Und umso weniger Not besteht, die Regeln weiter zu verschärfen. So unsere Einstellung.

Der Governor der USVI hat gerade die zuständige Behörde angewiesen, mehr Ankerplätze für Segler vor den Küsten auszuweisen. Tatsächlich warten in den Buchten der USVI sehr viele – vor allem amerikanische Boote – auf eine Möglichkeit weiter zu segeln. In der Anweisung schreibt der Governor explizit, die US Virgins wollten weiterhin einen sicheren Hafen bieten. In Zeiten, in denen Segler auf anderen Inseln Wegweisungen erleben ist das sehr viel wert. Die Ansage des Governors vom 27.03.2020 stimmt zuversichtlich, dass hier bleiben darf, wer sich an die Regeln hält:

„As Governor of the USVI I want to welcome you to our US Territory at this time of great world pandemic crisis. Whether you have visited regularly in the past or if this is a first visit, we are pleased to be able to extend to you a safe haven under US Flag protection at this grave time. “

Heute fuhr erstmals die Coastguard durch das Ankerfeld und notierte die Namen der Schiffe. Sie erklärten sie wollten die Schiffe checken. Immerhin gibt es inzwischen offenbar Segler, die den Schutz hier suchen, ohne offiziell einklariert zu sein: Ein Missbrauch des Gastrechts. Wir haben ein Visum und ordentlich einklariert, so dass wir nichts zu befürchten haben.

Auch von den amerikanischen Mitseglern in der Bucht erleben wir große Unterstützung. Sie fragen, ob wir zurecht kommen, ob wir Probleme haben, bei denen sie helfen können. Samt Einladung, falls wir doch in die USA segeln. Bereits zwei haben angeboten, sie hätten ein Auto am Parkplatz vor dem Strand und könnten Dinge wie Gasflasche neu befüllen für uns erledigen. Wir erleben bisher keinerlei Ablehnung, weil wir als Europäer den Schutz der raren Liegeplätze hier beanspruchen.

Die amerikanischen Segler sind zudem sehr hilfreich, wenn es um das Ausdeuten neuer Regeln des Governors geht. Segler der Maho und Francis Bay haben eine morgendliche Funkrunde initiiert. Zusätzlich gibt es Austausch über eine Facebook Gruppe. Man hält zusammen und versucht, guter Gast dieser schönen Inseln zu sein. So hat gerade einer der amerikanischen Segler telefonisch geklärt, dass eine neue Regelung über das Erfordernis von Long-Term-Permits nicht für die Mooring Bojen gilt, an denen wir liegen. Die Bojen sind Teil des Nationalparks, der dem US Reglement untersteht. Der Governor der USVI kann Regelungen nur für die Ankerplätze erlassen, die außerhalb des Parks liegen und die gerade aufgestockt wurden. Sehr wahrscheinlich kommt kurzfristig wieder eine Zahlungspflicht für die Bojen im Nationalpark. Sie ist derzeit ausgesetzt. Wir wie auch die anderen Segler hier sind gerne bereit, einen Beitrag für den sicheren Liegeplatz an die USVI zu leisten.

Wir hoffen mit vielen anderen Menschen weltweit, dass die schlimmen Nachrichten von Krankheit, Tod, Grenzschließung und unsolidarischem Verhalten bald der Vergangenheit angehören. Und darauf, dass möglichst viele ihr Verhalten an die schwierige Lage anpassen.

Durchsage des captains

In den vorangegangenen BLOG Beiträgen habe ich unsere Überlegungen ausführlich geschildert. Wohl etwas zu ausführlich und daher verwirrend, wie ich einer besorgten Email an die capitania entnehme. Daher fasse ich nochmal zusammen, was mir so durch den Kopf geht:

  1. Es geht uns gut, wirklich gut!
  2. Eine Rückkehr nach Europa (Deutschland oder Schweiz) während der Covid-19 Krise war nie eine Option. Ist es auch jetzt nicht: INVIA ist der sicherste Platz, den wir uns derzeit denken können.
  3. Eine INVIA im Wasser ist unser Zuhause. Dann haben wir alles, was wir brauchen. Nur im Wasser funktionieren wichtige Aggregate, weil sie z.B. wassergekühlt sind oder Meerwasser benötigen. Wie z.B.: Generator, Kühlschrank, Watermaker (Meerwasserentsalzungsanlage), Klimaanlage (wenngleich bisher kaum genutzt), Toilette, Abwasser für Dusche & Küche usw. Ein sog. Haul-Out mit längerer Lagerung der INVIA an Land macht nur dann Sinn, wenn Reisen in ein Land möglich sind, in dem wir uns länger aufhalten können & wollen. Idealerweise Schweiz & Deutschland, um all unsere Lieben zu Hause zu besuchen.
  4. Wir sind in den US Virgin Islands und damit auf US-Gebiet einklariert. Wir haben eine Aufenthaltserlaubnis bis Ende September. Nichts deutet darauf hin, dass die USA diesen bereits bestehenden Status einseitig aufkündigen würden. Das haben die USA selbst nach 9/11 gegenüber Staatsangehörigen aus islamischen Staaten nicht getan. Im Gegenteil, ich deute alle Verlautbarungen dahingehend, dass wir auf Antrag eine Verlängerung bekommen würden. INVIA darf sogar bis zu 1 Jahr bleiben. Erst bei längerem Verbleib müsste ein spezielles Permit als US-Vessel beantragt werden.
  5. Ich habe unsere internationale Krankenversicherung auf die USA erweitert. Exorbitant teuer, es kostet das 3,5 fache an Prämie. Dafür aber sind jetzt auch geplante und ungeplante Langzeit-Behandlungen etc. in teuren US-Spitälern als Privatpatient abgedeckt. Bspw. für den Fall, dass wir krank werden, aber nicht in die Schweiz oder nach Deutschland könnten oder wollten. Ebenso habe ich die Kasko- und Haftpflichtversicherung für INVIA um die US – Ostküste erweitert.
  6. Die Virgin Islands liegen im Hurricanegürtel. Es gibt auch nach Irma noch viele, insbesondere die großen Charterfirmen, die ihre Schiffe dennoch hier lassen. Aufgebockt und verzurrt an Land oder in einem der sogenannten Hurricane-Holes im Wasser. Das kann man machen. Mir ist das zu riskant.
  7. Offiziell beginnt die Hurricanesaison im Juni. De facto aber erst ab Anfang Juli mit Schwerpunkt September. Bis spätestens Ende Mai möchte ich ein Ziel ausserhalb des Hurricanegürtels ansteuern. Ich gehe davon aus, dass die starken Einschränkungen im Reiseverkehr noch länger anhalten werden. Daher hat ein Ziel Priorität, an dem wir uns einen längeren Aufenthalt vorstellen können.

Hier nochmal unsere Optionen:

Unser derzeitiger Standort – und unsere Überlegungen für die Hurricane-Saison
  • US Ostküste
    Dorthin dürfen wir, denn wir sind in den USA einklariert. Aber das WOLLEN wir nicht. Nicht mehr. Obwohl es unserem ursprünglichem Plan entsprach: Nach Culebra, Puerto Rico, Dominikanische Republik, ggf. Kuba, Turks&Caicos, Bahamas, Florida und dann die Küste entlang bis in die Chesapeake Bay. Dort den Sommer verbringen, dabei evtl. sogar weiter rauf nach New York oder gar hoch bis Maine. Wir hätten einen längeren Haul-Out vermieden und könnten den kompletten Sommer in angenehmen Klima auf unserem Heim verbringen. Und dabei einen Teil der USA bereisen. Das ist heute obsolet: Alle Inseln entlang der Strecke haben ihre Grenzen geschlossen. Wir müssten die Strecke in einem Rutsch durchsegeln, bis zur US Küste. Und wer weiß, wie sehr der Corona-Virus die USA dann im Griff hat? Möglicherweise dürften wir uns gar nicht groß fortbewegen. Vielleicht werden auch ganze Abschnitte wie die Chesapeake Bay gesperrt und wir dürften uns nur in ausgewiesenen Regionen aufhalten. Und dann zum nächsten Winter hin alles retour: Meist gegenan (gegen den vorherrschenden Wind), gegen den Golfstrom.Das alles ist möglich – aber nicht unser Wunsch.
  • ABC-Inseln (Aruba, Bonaire, Curacao)
    Bei allen Zielen südlich des Hurricanegürtels wird es im Sommer sehr heiß. Das gilt auch für die ABC Inseln. Der Vorteil ist aber: Diese Inseln sind sehr flach. Es weht daher immer ein kühlender Wind am Anker- bzw. Bojenplatz. Bis etwa ca. September, dann schläft der Passat vorrübergehend ein. Insbesondere Bonaire reizt uns, weil es ein traumhaftes Tauch- & Schnorchelrevier ist. So könnten wir uns auch in der Hitze gut beschäftigen. Curacao hat den Vorteil einer Marina mit Travellift, so dass bei Wiederaufnahme von Flügen ein Haul-Out und eine Lagerung an Land möglich wäre.

Das Problem: Derzeit sind die Grenzen komplett dicht. Und diese Inseln sind niederländisch. Jeder Langfahrtsegler weiss, dass die Niederländer alle Vorschriften sehr präzise und mit militärischem Gehorsam umsetzen. Auch ich konnte das beim Ein- und Ausklarieren im niederländischen Saba wie in St Eustatia sowie im niederländischen Teil von St Maarten erfahren. Keineswegs unfreundlich – aber so exakt nach Vorschrift, dass kein Millimeter für den gesunden Menschenverstand mehr bleibt.

  • St Vincent & the Grenadines
    Dieser recht große Staat umfasst zahlreiche Inseln und liegt am südlichen Rand des bekannten Hurricanegürtels. Der südlichste Teil der Prince Margret Bay in Bequia liegt auf 13O Nord. Union Islands auf 12O60II Nord. In unserer letzten Versicherungssaison waren wir gegen Sturmschäden versichert solange wir uns währen der Hurricanesaison südlich von 12O40II Nord aufhielten. Gegen eine noch zu verhandelnde Zusatzprämie ist es aus heutiger Sicht möglich, den Bereich zumindest auf 12O 60II Nord oder noch besser auf 13O Nord auszudehnen. Derzeit sind die Grenzen von St. Vincent offen – sofern Neuankömmlinge sich für 14 Tage in Quarantäne begeben. Falls dies so bleibt und wir die Quarantäne hinter uns gebracht haben, sollten wir uns – Stand heute – frei innerhalb gegebener Grenzen bewegen können. Mit den Tobago Keys, Bequia und Union Islands ist das Gebiet groß genug, um sich längere Zeit dort aufzuhalten. Sollte wider Erwarten doch eine Hurricanewarnung für St Vincent kommen, können wir in kürzester Zeit nach Süden, nach Grenada oder noch weiter südlich ausweichen. Wäre mir dann vollkommen egal, ob dort die Grenzen offen sind oder nicht – ich würde einfach losgehen.
  • Grenada
    In Grenada gibt es eine große Langfahrer-Community. Viele „übersommern“ dort mit ihrem Schiff. Es hat diverse Marinas für einen HaulOut. Ab Juli wird’s allerdings wirklich heiss.

Derzeit sind die Grenzen von Grenada geschlossen.

  • Trinidad
    Deutlich ausserhalb des Hurricanegürtels. Ein guter Ort, um INVIA professionell aus dem Wasser zu holen und längere Zeit auf dem Trockenen zu lagern. Aber alles andere als ein Ort, um länger auf dem Schiff zu leben! Letzteres geht noch gut auf der Schwesterinsel Tobago mit diversen netten Buchten – die aber bei weitem nicht so viel Platz für eine große Zahl von Seglern bieten wie Grenada oder St. Vincent.Trinidad macht aus jetziger Sicht nur dann Sinn, wenn von dort auch wieder Flüge möglich sind. Und Reisen in ein Land, in dem wir uns längere Zeit aufhalten können & wollen.

 

 

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