Im großen Pseudo-Hafen

Wir sind scheinbar umgeben von Häfen. Liegen wir doch seit Tagen bei Bullock Harbour vor Great Harbour Cay. So wenig wie das Häfen sind, so ursprünglich ist der Inselname. Geschichten von „Gangstergeld“, Spielsalons, Golfcourts und einem einstigen Treffpunkt der Celebrities umranken den sehr netten einzigen Inselort Bullock Harbour.

Great Harbour Cay ist quasi ein Kunstname, geschaffen nach dem Verkauf von Teilen der damals noch Manalapan Island heißenden Insel.

Im 19.Jahrhundert versuchten sich ehemalige Sklaven an landwirtschaftlicher Nutzung von Manalapan Island. Aus der Zeit stammen wahrscheinlich die Baumwollbüsche. Wir sehen hier viel mehr Humus als auf den anderen Inseln und so ist nicht zu verstehen, dass die Landwirtschaft damals nicht erfolgreich war und es auch heute keine auf der Insel gibt.

Der Kanadier Lou Chessler benannte die Insel für seine ehrgeizigen Projekte um in Great Harbour Cay. Er investierte ab Mitte der 1960er Jahre fast 40 Millionen Dollar. Mit Marina, Flugzeug-Landebahn, Golfplatz, Hotel und Appartements wollte er ein Mekka der Reichen schaffen. Dank Süßwasservorkommen war man in der Lage, riesige Wasserspeicher zur Bewässerung des Golfplatzes anzulegen. Für die Marina wurde künstlich ein Kanal durch Felsen zu vom Wind geschützten Lagunen im Inselinneren geschlagen.

Marina Great Harbour
Beach Appartments
Windwardseite bei den Beachhäusern aus der Zeit des Golfprojektes
Airstrip Great Harbour Cay
So groß wie diese Landebahn ist keine andere der Family Islands
Golfplatz

Dahinter stand angeblich kubanisches Geld. Es heißt, zu Fidel Castros Zeiten sei neben anderen kubanischen Vermögenden auch der bekannte „Gangster“ Meyer Lansky von Kuba in die USA umgesiedelt (https://en.wikipedia.org/wiki/Meyer_Lansky). Er habe in den Bahamas Spielcasinos aufbauen wollen. Da das damals ungesetzlich war, brauchte er Umwege wie Hotelprojekte, um sein Ziel politisch opportun zu machen. Offenbar war er dabei erfolgreich, denn 1969 wurde in den Bahamas ein lotteries and gambling act verabschiedet, auf dessen Grundlage 3 Hotels mit Casinos für Touristen gebaut wurden. Was hingegen aus den hochfliegenden Plänen von Chessler wurde, sehen wir vor Ort bei unseren Inseltouren. Während Anfang der 1970er Jahre der Golfplatz und das Hotel noch Filmstars und Vermögende anzogen, stehen vom Clubhaus beim Golfplatz heute nur noch Ruinen. Und von den „Rondettes“, die rund um Clubhaus und Golfplatz als Hotel dienen sollten, sehen wir gar nichts mehr.

Ruine Clubhaus
Ruine Pool beim Golfhaus. Auf der Terrasse stehen Tische mit Bänken und Mülleimer aus heutiger Zeit bei Grillrosten. Offenbar trifft man sich hier noch.

Geblieben ist der Beachclub als inzwischen am längsten betriebene Bar der Insel.

Beachclub


Leider ist sie bei unserem Besuch im Mai geschlossen. Wir hören, im Juni flögen die Villeninhaber ein, dann werde es voll auf der Insel. Und dann öffnet auch die Beachbar wieder.

Die Villen reihen sich entlang der Windwardseite an einen Strand, der mal nicht vom türkisblauen Wasser umspült wird. Das Wasser dort ist grün und lockt uns, die wir aus den Raggged Islands und Exumas verwöhnt sind, nicht ganz so. Die Vegetation abseits der Palmen erinnert mit Nadelbäumen und Gräsern an deutsche Nord-/Ostsee.

Villen Windwardseite

Deko an der Einfahrt zu Villen
Strand Windwardseite

Aber es hat ihn auch hier, den türkisblau und gelb leuchtenden Strand. Im Süden von Great Harbour Cay liegt er, der Shelling Beach. Traumhafte Farben hier.

Shelling Beach

Wir haben das Glück, von der Marina Fahrräder ausleihen zu können für eine Erkundungstour zum Shelling Beach. Zwar sind die Räder für Marinagäste reserviert und das sogar kostenfrei. Wir sind eigentlich keine Marinagäste, aber kurzerhand reicht aus, dass wir unser Dinghy vor dem Marina Office vertäuen, um nach Fahrradleihe zu fragen.

Der Captain hatte sich extra farblich passend zu den Fahrrädern gekleidet, um die Dame im Marinaoffice von der Ausleihe derselben zu überzeugen

Und so können wir bis zum Shark Creek im Südwesten der Insel fahren. Ein Salzwasserarm mit tollsten Wasserfarben zieht sich gesäumt von Mangroven ins Inselinnere. Leider zu seicht und eng, um ihn mit dem Dinghy zu erkunden. Mit einem Kajak sollte das gehen, sofern man sich vor den Shelling Beach verankert. Der Shark Creek gilt als Aufzuchtstätte und Lebensraum vieler Meeresbewohner. Auch Haie soll es geben. Wir meinen vom Ufer aus mindestens 3 im Wasser zu sehen.

Shark Creek

Die Inselerkundung im übrigen machen wir zu Fuß. Jeder Autofahrer grüßt. Wir fühlen uns hier willkommen, nicht zuletzt dank der Infrastruktur für uns Segler wie Dinghydock und Möglichkeiten zur Müllentsorgung gleich dort.

Dinghydock. Bei low tide muss man ggf paddeln, es ist sehr flach vor dem Schwimmsteg.
Über Felsen geht’s zum Schwimmsteg.

Die älteste Kirche der Insel, eine anglikanische, steht nahe am Dinghdock und ist noch heute in Gebrauch
Diese im Inselinnern hingegen ist verbrettert und offensichtlich nicht in Gebrauch. Anders als auf anderen Inseln zuvor sehen wir keine Vielzahl an Kirchen.
Es gibt eine Reihe von geschützten Mangrovenbuchten, leider nicht schiffbar

Als ich einen Tag alleine unterwegs bin, stoppen gleich mehrere und bieten mir eine Mitfahrgelegenheit. Während mich der Captain am Dinghysteg nach meiner Tour einsammelt, wird ihm von den Einheimischen versichert, man habe auf mich aufgepasst. Ein Herr meint sogar, er habe mich dreimal mit dem Auto passiert und sich vergewissert, dass es mir gut gehe. Entsprechend wohl fühlen wir uns.

Am Freitagabend treffen sich die Einheimischen bei Bonner
Bonner mag Deko
Und Bonner mag Schilder
Er ist sichtlich stolz auf seinen kleinen Platz.
Als wir gemeinsam mit den Crews der Vairea und der Boheme am frühen Freitagabend bei Bonner essen wollen, ist bereits fast alles vertilgt. Wir gehen gegenüber ins Restaurant und werden sehr nett bedient.
An einem anderen Abend klagt uns Brown an seiner Bar sein Leid. Infolge der Covidbeschränkungen fehlt den Einheimischen das Geschäft. Er bedankt sich sehr charmant mehrfach dafür, dass wir bei ihm einen Drink nehmen.
Man findet sie manchmal nicht so einfach, die kleinen lokalen Restaurants wie das in der Straße, die rechts vom 700 wines liquor store abzweigt. Auch hier ist man sehr froh über unser Kommen.
Örtliche Polizeistation. Das Polizeiauto sehen wir an vielen verschiedenen Orten parken und haben den Eindruck, es bleibt auch am Tag genug Zeit für enge soziale Kontakte zwischen seinem Fahrer und der Bevölkerung.
Farbenfroh. Leider verpassen wir die richtige Zeit, um hier für den Captain Speiseeis einzukaufen. Irgendwie ist immer geschlossen.
Netter Name. Den Store dazu habe ich nicht gefunden.
Die örtliche Schule
„Lese, studiere, erreiche“ steht auf der einen Seite der Schulmauer. „Hoffnung“ auf der anderen.
Am Sonntag treffen sich morgens zunächst die Männer auf der Straße. Später sieht man dann die Frauen mit dem Auto fahren. Carsharing?
Am Freitagmorgen sehen wir in der Marina einen Herrn, der Flaschen und anderes Glas graviert. Er graviert auch nach Kundenwunsch. Ist dann aber an keinem anderen Tag mehr zu sehen, als die Kundenwünsche sich entwickelt hatten…
Einen Pfau haben wir in der Karibik noch nirgends sonst gesehen
Der Basketballplatz im Ort ist eine Spende der Kreuzfahrtgesellschaft Royal Caribbean, der die Nachbarinsel Coco Cay (Little Stirrup) mit Vergnügungspark für Touristen gehört.

Wir sind sehr froh, dass wir hier zusammen mit Martina und Daniel von der Vairea und Simone und Peter von der Boheme auf ein passendes Wetterfenster für unseren Schlag an die USostküste warten und uns austauschen können. Ein großer Dank an Peter, der uns nicht nur seine Dieselkanister für das nochmalige Volltanken der INVIA ausleiht, sondern zusammen mit dem Captain per Dinghy die schweren vollen Kanister von der Marinatankstelle holt.

Dock Tankstelle Great Harbour Marina. Für große Schiffe wie unsere Katamarane bleibt eigentlich nur vorne Anker werfen und mit dem Heck an den Steg gehen. Für INVIA mit ihrer Tanköffnung vorne am Mastfuß wäre der Tankschlauch dann wahrscheinlich zu kurz zum Befüllen.
Dock Tankstelle

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.