Montserrat und seine tote Stadt

Antiguas Nachbarinsel Montserrat hat einen aktiven Vulkan, dessen letzter großer Ausbruch gerade mal 9 Jahre zurück liegt. Bei Ausbrüchen seit 1995 verschüttete der Soufriere Vulkan die im Süden der Insel gelegene Hauptstadt Plymouth. Sie ist heute eine Geisterstadt.

 

Auch wenn Montserrats Küste nicht eben ideale Ankerbedingungen bietet, wollen wir die Insel unbedingt erkunden. Der nördliche gebirgige Teil mit Wanderwegen und der südliche vulkanische Teil reizen. Beim Törn von Antigua rüber nach Montserrat haben wir zwar raumschots Kurs, dh den Wind von schräg hinten, eine bis 2.50m hohe und eher kurze Welle von der Seite macht die Tour aber dennoch wenig komfortabel.

Der Ankerplatz in der Little Bay an der Nordwestküste empfängt uns mit Wellen, die sich lautstark am Ufer brechen. Außer einem halben Wrack liegt kein anderer Segler hier. Wir sind trotz der nicht idealen Bedingungen entschlossen zur Erkundung der Insel. Das Rollen am Ankerplatz müssen wir halt in Kauf nehmen.

Nordküste Montserrat

Blick vom Ankerplatz Little Bay
Ankerbucht Little Bay
Blick auf INVIA von Little Bay (Montserrat)

Noch während unseres Ankermanövers werden wir über VHF 16 kontaktiert. Eine aufgeregte Stimme schallt Unverständliches und fordert zum Wechsel auf Kanal 14. Zunächst sind wir unsicher, ob wir von offizieller Seite angefunkt werden und versuchen krampfhaft zu verstehen. Einfacher wird das auch nicht dadurch, dass eine zweite Stimme dazwischen funkt. Erst als wir mehrfach „Taxi“ verstehen ist klar, dass hier keine Boatboys als Empfangskomitee kommen, dafür aber Taxifahrer am Ufer um Aufträge kämpfen. Der Captain wird sauer und funkt, solange niemand Offizielles etwas von uns wolle, solle man uns bitteschön erst einmal das Ankermanövers durchführen lassen. Das können wir dann unter großer Beschallung. Denn inzwischen hat eine Bar am Strand ihre Bässe aufgedreht. Offenbar werden wir erwartet.

Das Einklarieren geht so schnell wie wohl noch nirgends sonst. Dumm nur, dass es am Steg keine wirklich gute Möglichkeit gibt, das Dinghy zu vertäuen. Schwell und herausstehende Teile machen das schwer. Dennoch gehen wir an Land zur Erkundung. Im Hafengelände werden wir von der Security aufgehalten. Wir müssen uns auch bei ihr registrieren. Auf die Frage, ob das Tor später verschlossen werde heißt es, man sei 24 Stunden 7 Tage die Woche da, nur nicht bei Hurrikan.

Hinweis im Hafen Little Bay

Das Government plant Little Bay zur neuen Hauptstadt der Insel auszubauen. Ein großer Wellenbrecher soll gebaut werden. Der wäre sinnvoll, denn in die Bucht stehen oft Nordschwell und Fallwinde. Wie wir hören besteht der Plan allerdings schon seit 2010, ohne dass man begonnen hätte. Einige öffentliche Gebäude wie ein Gebäude für die Port Authority stehen bereits. Einklariert wird aber trotzdem in einem Container dahinter. Auch ein Gebäude für einen zentralen Markt ist mit einem Laden nun wirklich nicht zweckentsprechend genutzt. Man wartet auf Investoren, heißt es.

Möglicherweise liegt man in der Rendevouz Bay nördlich der Little Bay ruhiger. Wir haben die Bucht nur von oben gesehen, als wir einem Trail hinter dem Port links folgen, der dann entlang des Zaunes und rechts über den Hügel führt.

Blick auf Rendezvous Bay

Little Bay mit seinem schwarzen Sandstrand und einigen Bars am Strand scheint das Ausgehviertel für die Umgebung zu sein. Man kommt am Wochenende abends sehr chic gekleidet, um der Brandung zuzusehen, die sich mit lautem Rauschen am Strand bricht. Einheimische lassen sich von den brechenden Wellen mitziehen, tauchen unter und wieder auf. Für uns ist Schwimmen an der Invia eher ein Wellenreiten denn schwimmen.

Brandung Little Bay

Die Insel ist zerklüftet und gebirgig. Ohne Auto kommt man nicht weit. Entsprechend viel und leider auch schnell wird hier Auto gefahren. Als Fußgänger hat man es nicht leicht.

Hinter Little Bay liegt ein Rondell, das mit zahlreichen Weihnachtsfiguren geschmückt ist. Davor eine Palme und über 30 Grad in der Sonne, surreal. Die Einheimischen meinen dazu, jetzt, am 6.12., hätte die Weihnachtszeit begonnen, bis zum 1. Januar gebe es nun täglich Party.

Weihnachtsdeko mit Palme
Vorweihnachtszeit

Rechts geht es zu einem anderen Strand mit kleiner Bar, die eher ein hölzernes Hüttchen mit Kasse und schwergewichtiger Mama dahinter ist und mit großen Kühlboxen davor. Seitlich steht ein kleiner Grill mit einigen wahrscheinlich gut warmen Salatschüsseln. Etliche Locals hängen hier rum. Wir werden freundlich begrüßt, das hier sei der Liming Point. Auch der aggressive Funker vom Ankermanöver kommt vorbei, stellt sich als Sams Taxi vor, er habe uns hier gesehen und extra für uns angehalten. Welche Tour wir mit ihm machen wollten. Wir unterhalten uns der Höflichkeit halber etwas mit ihm, sind aber klar dagegen, so jemand Aufdringlichen zu beauftragen.

Statt dessen mailen wir Scriber an, der Researcher ist und Wanderungen anbietet. Er schickt uns für den nächsten Tag Calvin, ebenfalls Researcher. Calvin erzählt, dass er sich im Auftrag des Government und verschiedener Organisationen mit den Froschpopulationen beschäftigt und dazu Forschungen auf verschiedenen Inseln anstellt. Ein Pilz befällt die Frösche und bedroht die Art. Als wir ein Aguti sehen, meint Calvin, die würde man anders als auf anderen Inseln hier in Montserrat nicht essen. Die Forscher versuchten die Leute davon abzuhalten, die Agutis mit Gift von ihren Gärten fern zu halten. Man werde wohl Fallen übers Internet bestellen und könne ja die gefangenen Agutis nach Trinidad liefern, dort esse man sie gerne.

Calvin und unser Tourtaxi

Die Wanderwege sind gut beschildert und gepflegt. Wir wandern zunächst im Trockenwald. Metallstangen mit gelbem Ring markieren Privatgrund, die mit rotem Grund des Government. Dort wo Naturschutzgebiete festgelegt sind, darf der Besitzer nichts aus seinem Waldstück entnehmen und darf dort nichts bauen. Wir laufen an einem Klappbett vorbei, das an einem Baum mitten im Wald lehnt. Daneben liegen ein paar Latten. Calvin meint, hier wolle sich jemand eine Hütte bauen, das sei aber nicht erlaubt, da Schutzgebiet. Er fotografiert die Szene und will sie dem Government melden.

Im Trockenwald
Im Trockenwald
Pfosten mit Gekko innen

In den nach oben offenen Markierungsstangen sitzen Reptilien und Spinnen. Calvin leuchtet mit seiner Handytaschenlampe hinein und zeigt sie uns. Auf Montserrat gibt es mehrere Tier- und Pflanzenarten, die nur dort endemisch sind. Calvin wusste leider nicht zu sagen, wie das angesichts nahe gelegener Nachbarinseln wie Antigua und Guadeloupe sein kann. Im Übrigen kennt er sich aber sehr gut aus und zeigt uns etliche Pflanzen im Wald. Der Weg führt durch den Trockenwald auf die andere Talseite. Hier bleiben die Wolken hängen und lassen Regenwald wachsen. Die nahe beieinander gelegenen völlig unterschiedlichen Vegetationsformen faszinieren. Wir klettern über glitschige Steine bis zum Dry Waterfall, der nur zur Regenzeit Wasser führt. Jetzt stehen wir vor einer grün bewachsenen Wand, an der Wasser tröpfelt.

Im Regenwald
Im Regenwald
Dry Waterfall

Touristen sehen wir auf Montserrat nur wenige. Calvin erzählt, die meisten seien Tagesgäste, die mit der Fähre von Antigua, Guadeloupe und Martinique kämen. Ein Kreuzfahrtschiff könne in Montserrat nicht anlegen, daher kämen die Gäste per Fähre. Die kommt wohl Dienstag und Freitag und kann auch schon mal 100 Tagesgäste und mehr ausspucken. Jedenfalls erzählt Calvin von einer Gruppe mit 100 Personen aus Martinique, die er in der darauf folgenden Woche führen solle.

Fähre

Spektakulär ist die Fahrt mit der Invia von der Nordwestküste in den Süden von Montserrat. Hier liegt der Vulkan Soufriere, dessen Ausbruch 1995 die Hauptstadt der Insel verschüttete. Man meinte nach einigen kleineren Ausbrüchen, der Vulkan sei zur Ruhe gekommen und begann teilweise mit dem Wiederaufbau. 2010 eruptierte der Vulkan erneut. Bis heute ist das gesamte Gebiet um den Vulkan Sperrzone. Wir dürfen nicht anlanden, obgleich ein just vor dem Vulkanausbruch fertig gestelltes Pier dies ermöglichen würde. Diese Seite von Montserrat ist viel ruhiger als die schwellige Nordwestküste. Anders als an den Steilküsten dort bricht sich hier im Süden nicht die Welle, sondern läuft an einen langen schwarzen Sandstrand. Schweres Schicksal, dass dieses gut geschützte Gebiet mit sanften Hängen nicht  mehr genutzt werden kann. Calvin meinte auf unsere Frage, wie man mit dem fortdauernden Risiko einer erneuten Eruption auf der Insel lebe, man denke darüber vor Ort nicht nach. Ein Observatorium mit Wissenschaftlern überwacht den Vulkan, um die Menschen ggf rechtzeitig warnen zu können.

Vulkan
Vulkangebiet
Fahrt am Vulkan
Fahrt am Vulkan

Die Szenerie am Ufer ist gespenstisch. Verlassene Häuser, die teils von Asche und Lava bedeckt sind. Schwefelgestank erfüllt die Luft. Da der Vulkan durchgehend in Wolken liegt, können wir nicht unterscheiden, was Wolke und was Vulkandampf ist. Offenbar hängen aber vulkanische Schwefeldämpfe bis auf mittlere Höhe um den Berg. Fabrikgebäude und alte Windmühlentürme zeugen davon, dass im Gebiet einst Wohlstand herrschte. Von ehemals 12000 Inselbewohnern sind jetzt nur noch 4000 da. Sie mussten in den Norden der Insel umsiedeln. Die übrigen haben die Insel verlassen Richtung Großbritannien, USA und auf die Nachbarinseln.

Tote Stadt Plymouth
Tote Stadt im Schwefeldampf
Tote Stadt im Schwefeldampf
Tote Stadt
Lavagebiet vor toter Stadt
Tote Stadt
Lavafeld
Pier vor Plymouth

Für denjenigen, der mehr zu den Vulkanausbrüchen auf Montserrat erfahren möchte, hier Auszüge aus Wikipedia:
Aufgrund der vulkanischen Aktivität ab 1995 (Wachstum und anschließender Kollaps von Lavadomen) variiert die Höhe des Vulkanberges seitdem beträchtlich zwischen 915 m (Gipfel des Chances Peak) und 1150 m (Höhe des Lavadoms vor dem Ausbruch von 2010).  Die erneute Vulkanaktivität kündigte sich durch Erdbebenschwärme seit 1992 an.  Am 18. Juli 1995 begann dann der Ausbruch, als es im Nordwestkrater zu einer phreatischen Eruption kam. Bis Ende Oktober folgten zahlreiche weitere Eruptionen auch in anderen Kratern, die an Heftigkeit zunahmen. Die Südhälfte der Insel mit der Inselhauptstadt Plymouth wurde von Aschenregen bedeckt. Bereits am 21. August 1995 wurde der Südteil von Montserrat evakuiert. Ab dem 14. November wuchs über dem Vulkanschlot ein Lavadom aus aufsteigendem Magma. Mit zunehmender Steilheit des Domes brachen immer wieder Teile der Flanken ab, wodurch Glutwolken entstanden, sogenannte pyroklastische Ströme, die mit über 100 km/h zu Tale jagten. Dies führte zu einer zweiten Evakuierung Montserrats am 1. Januar 1996. Die Phase der zunehmenden Domkollapse mündete am 17. September 1996 kurz vor Mitternacht Ortszeit in einen explosiven Ausbruch, bei dem große Mengen von Bims- und Gesteinsbrocken eruptiert wurden. In Long Ground wurden Häuser durch fußballgroße Glutbrocken zerstört. Es gab jedoch keine Verletzten. Im Anschluss bildete sich ein neuer Dom und die Aktivität nahm weiter zu.  Am 25. Juni 1997 erreichten pyroklastische Ströme auch bisher nicht betroffene Gebiete. Dabei starben 19 Farmer, die sich geweigert hatten, ihre Felder zu verlassen. Spekulationen über eine bevorstehende Explosion der ganzen Insel veranlassten einen Großteil der Bevölkerung zum Verlassen der Insel. Sie wurden von anderen karibischen Inseln sowie vom britischen Mutterland aufgenommen. Bis September 1997 wurden alle Siedlungen auf der südlichen Inselhälfte sowie der Flughafen zerstört und mit einer dicken Ascheschicht bedeckt. Die schwerste Eruption dieser Phase geschah am 26. Dezember 1997. Allein bei dieser wurden etwa 42 Mio. m³ glühendes Gestein auf den südwestlichen Teil der Insel geschleudert.  Ab März 1998 beruhigte sich der Vulkan wieder, stellte seine Aktivität jedoch nicht ein. Es kam weiter regelmäßig zu leichteren Ausbrüchen. Zu größeren Eruptionen kam es am 20. März 2000, am 29. Juli 2001, am 20. Mai 2006 und am 8. Januar 2007.  Der schwerste Ausbruch seit 1995 geschah am 12./13. Juli 2003. Eine 15 km hohe Aschewolke wurde ausgestoßen und vertikale Explosionen verteilten 210 Mio. m³ an Lockermaterialien auf das schon verwüstete Gebiet. Menschen kamen dabei nicht zu Schaden. Nach einer starken Eruption am 8. Januar 2007 wurde wieder eine Zunahme der Aktivität am Soufrière Hills und ein Wachstum des Doms gemessen. Daraufhin wurde die Warnstufe 4 ausgegeben und das Sperrgebiet um den Vulkan erneut ausnahmslos für Besucher geschlossen.  Eine weitere Eruption ereignete sich am 28. Juli 2008, bei der wiederum ein pyroklastischer Strom die schon zerstörte Hauptstadt Plymouth erreichte.  Am 23. Dezember 2009 meldete die NASA, dass mit dem Satellitensystem MODIS seit dem 20. Dezember Eruptionswolken aus dem Vulkan beobachtet wurden, die Ascheregen in der nahen Umgebung zur Folge hatten. Am 11. Februar 2010 brach der Lavadom teilweise zusammen. Darauf kam es zu pyroklastischen Strömen, die bis 400 m auf das offene Meer hinausreichten, sowie zu einer Aschenwolke bis in mehr als 15 km Höhe.

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