Auf in die Bahamas

Dienstag morgen mit Sonnenaufgang heben wir den Anker. Spülen wie auch die Male zuvor die verschlammte Ankerkette ab. Zäh ist der Anfang, es zieht sich sehr lange. Erstmal aus der Bucht und dann weiter nach Nord-Osten, bis wir das Cabo Samana runden können. INVIA stampft in die Wellen. Ich habe zwar damit gerechnet – aber irgendwie doch nicht damit, dass es soooo mühsam wird.

 

Die Wellen sind relativ steil. So steil, dass INVIA sie nicht einfach „schlucken“ kann. INVIA stampft und bockt und wird immer wieder abgebremst. Mehr als 5 kn Durchschnitt sind nicht drin, obwohl ich entgegen meinen Gewohnheiten sogar einen Motor zu Hilfe nehme. Nach 3 1/2h – 1h später, als ich mir errechnet hatte – sind wir endlich am Cabo Samana und können auf Vorwind-Kurs gehen.

Die letzten Einkäufe von den Obst- und Gemüseständen in Samana transportieren wir im Regen. Zum Glück gibt es Motorradrischkas. Unsere Einkäufe füllen eine Bank, wir die gegenüberliegende andere. Das wird für lange Zeit der letzte Einkauf an wirklich frischem Obst und Gemüse sein, denn Direktverkauf ist in den Bahamas sehr selten.

Kurzzeitig setzen wir das Starkwind-Spi, entscheiden uns dann aber doch wieder für die klassische Besegelung: Groß im Vollzeug und Arbeitsfock. Zwischendrin mal Butterfly, sofern die Wellen es erlauben (Butterfly heisst Fock auf der einen und Groß auf der anderen Seite, gesichert mit einem sogenannten Bullenstander). Ansonsten steuern wir mit einem TWA (True Wind Angle, also Winkel zum wahren Wind) von 160 Grad. Als wir die nördliche Höhe von Great Inagua erreicht haben, sind wir genau südlich von Grand Turk Island und halsen. Mit TWA = 160 von der anderen Seite geht’s direkt dem Ziel entgegen.

Die Überfahrt verläuft ereignislos. Wind und Welle sind genau so wie erwartet und von PredictWind vorhergesagt. Ohne Spi sind wir etwas langsamer, zudem fehlt uns die 1h, die wir aus Samana raus länger gebraucht hatten als geplant. Ergo fällt der Anker vor Matthew Town, Great Inagua (Bahamas), am Mittwoch Abend doch erst nach Einbruch der Dunkelheit. Aber kein Problem: Zum einen ist nur ein einziges weiteres Schiff dort vor Anker. Zum anderen kennen wir den Ankerplatz vom letzten Jahr. Er ist völlig einfach anzulaufen, es gibt keinerlei Hindernisse wie Korallenköpfe. Fast überall ist gut haltender Bahamas – Sand. Und der Mond scheint auch noch. Der Anker fällt &hält sofort bombig. Vor dem Schlafengehen noch einen Schluck Rum, das wars.

Ankerplatz vor Matthew Town

Einklarieren auf Great Inagua

Am nächsten Morgen Einklarieren. So freundlich die Menschen auf Great Inagua sind, so sehr nervt uns die offensichtliche Gaunerei bei den Offiziellen. Es läuft wie letztes Jahr. Am Ende zahle ich, weil ich keinen Ärger will. Great Inagua ist, das schreibt auch unser Törnführer, der „Wilde Westen“. Dabei liegt die Insel doch ganz im Osten der Bahamas.

Der customs-Offizielle will 30 USD Transportgebühr dafür, dass er den Immigration Officer holen und zum Office fahren muss. Aber eine Bearbeitungs-Gebühr will er nicht. Im Gegensatz zum letzten Jahr, da gabs noch eine „offizielle“ Einklarierungsgebühr von 40 USD. Dafür gabs letztes Jahr keine Immigration-Gebühr. Dieses Jahr hingegen werden von der Immigration 40 USD verlangt. Dafür bekommen wir aber auch 120 Tage statt der üblichen 90. Perfekt für uns, denn bis Mitte Mai wollten wir gerne bleiben und da könnte es mit den 90 Tagen knapp werden.

Ich habe in früheren BLOG Beiträgen viel dazu geschrieben, wie sehr ich gegen Bestechungsgelder bin. Aber das wird hier gar nicht gefordert – man bekommt eine „hochoffizielle“ Quittung: Einen Ausdruck auf einem Blatt Papier versehen mit einem echten Stempel und einer Unterschrift. Natürlich erfolgt nirgendwo ein Gegen-Beleg, der gute Mann kann selbst so viele Quittungen produzieren, wie er möchte. Am Ende bezahle ich wieder, nicht aber ohne deutlich zu machen: Ich unterstütze gerne diese abgelegene Insel, aber ich weiss genau, dass laut offizieller Regelung der Bahamas Regierung alle Gebühren mit dem zuvor von mir durchgeführtem „Click2Clear“ Verfahren abgegolten sind.

Auch der obligatorische Covid-Test am Tag 2 der Einreise ist in Matthew Town nicht in der schon vorab online bezahlten Gebühr fürs Bahamas Health Visum enthalten. Das war er nur im letzten Jahr. Aber da machten wir ihn auf Crooked Island. Auf Great Inagua besteht man auf einer Gebühr von 40 $ für beide Tests zusammen. Zur Begründung heißt es, das hier sei eine private Einrichtung. Obwohl wir nachlesen können, dass wir in einer vom Government betriebenen Klinik getestet werden und die terms & conditions eindeutig etwas Anderes sagen. Aber was tun? Sich weigern und dann riskieren, ein positives Testergebnis untergeschoben zu bekommen?

Die After-Work- Bar in Matthew Town

Während der captain einklariert – er hat die obigen Abschnitte geschrieben – sehe ich direkt an Steuerbord von INVIA einen Delfin auftauchen und kann seine Bahn im glasklaren Wasser weiter verfolgen. Das türkise Wasser der Bahamas ist besonders herrlich nach dem grünbraunen Wasser der Mangroven Landschaften von Puerto Rico und der Dominikanischen Republik. Leider können wir hier weder ein Foto vom Delfin noch von den Walen in Samana präsentieren. Wir waren einfach zu langsam fürs fotografische Festhalten. Und die Wale waren auch nicht dicht genug beim Schiff, um etwas Vorzeigbares festzuhalten. Toll waren sie allemal für uns anzuschauen.

Abgesehen von den unerfreulichen Geldforderungen sind die Eindrücke in Matthew Town wie schon im letzten Jahr sehr positiv. Beim Laufen entlang der wenigen Straßen des kleinen einfachen Ortes werden wir mehrfach gefragt, wohin wir denn wollen und ob wir mitfahren wollen. Und das obwohl man sichtlich Respekt vor dem Coronavirus hat, jeder trägt bei Kontakt Maske. Etwas ungläubig wird unsere Antwort aufgenommen, wir wollten gerne etwas laufen.

Puttenzaun in Matthew Town

Im Ort registrieren wir einige neue Häuser. Ein Bewohner zeigt uns sichtlich stolz sein neues Hotel mit Zimmern samt Nasszellen, das noch im Bau ist. Ob hier tatsächlich so viele Touristen herkommen werden? Die Insel hat nur sehr wenig Infrastruktur und eher karge Vegetation, allerdings viele Vögel. Die Flamingo Population am Salzsee ist ein besonderes Highlight.

Möglicherweise ein Paar Kaninchenkauze, Burrowing Owls, eine in Great Inagua verbreitete Eulenart
Hebebühne der örtlichen Autowerkstatt
Wohnhaus mit niedrigerem Hurrikanshelter, der in die Erde eingebaut wurde
Baptistische Kirche Matthew Town
Einsiedlerkrebse in Massen wohnen nicht nur in ihren Häusern, sondern suchen zusätzlich Schutz in einem Schrottteil

George heißt der Harbormaster von Matthew Town. Er wirkt immer gut gelaunt und wie einer, der seinen Job gern macht. Er ist Anlaufstelle für alle Fragen wie wer bietet Touren an, wer verkauft welche Frischware. Auch die Einheimischen verweisen auf ihn und meinen, wenn George sie wissen lasse, dass man Frischware brauche, könnten sie zum Dock liefern. So z.B. Mona, die wir in ihrem kleinen Obst- und Gemüseladen antreffen. Sie sagt sie sei meistens nicht im Laden und die Einheimischen sähen anhand ihres Autos, ob sie gerade im Laden oder zu Hause ist. George könne ihr Bescheid geben, wenn wir etwas brauchten. Als wir sie nach der lokalen Bäckerei fragen, ruft sie den Bäcker Richard sofort an und will für uns organisieren, dass er uns Brot zu ihr in den Laden bringt. Wieder ungläubiges Schauen, weil wir hin laufen wollen.

Bäckerei und Wohnhaus in einem

Die Bäckerei liegt in einem kleinen Wohnhaus.. Wir waren schon am Vortag daran vorbeigelaufen, hatten aber kein Ladenlokal gesehen und nicht ins Privathaus gehen wollen. Jetzt sind wir durch Mona vorangemeldet, treten ein und stehen in der Küche des Hauses. Sehr sauber ist es dort. Wie uns die Ehefrau des Bäckers sagt, gibt es eine WhatsApp- Gruppe, in der Richard informiert, wann er frisches Brot oder auch mal Cinnamon Rolls hat. Wir kaufen einen Laib Brot vom Vortag, der mit 6 Dollar nicht billig ist, aber schwer und immer noch gut. Obst und Gemüse haben wir genug aus Samana. Hier in Matthew Town ist es damit am Donnerstag auch schon schwierig. Das Mailboot kommt montags und die Ware war bereits lange unterwegs, bis sie hier im Regal landet. Lange bleibt sie dort nicht frisch. Mona berichtet, die Einheimischen kämen gleich nach der Lieferung zu ihr, da gehe die Ware dann schnell weg.

Dieses haitianische Frachtschiff, das kaum mehr seetauglich aussieht, fährt am Morgen nach unserer Ankunft in Matthew Town ein
Wahrscheinlich ist der haitianische Frachter leck und die Pumpen schaffen das Wasser nicht mehr raus. Dennoch wird er beladen für die Rückfahrt nach Haiti

Ob George den fast wie ein Wrack aussehenden haitianischen Frachter offiziell in Matthew Town einklarieren ließ, scheint uns fraglich. Die Crew hängt im kleinen Hafen herum. Allerhand wartet am Dock auf das Verladen. Mitgebracht hat man nichts, wie die Crew auf Frage berichtet, man holt nur ab. Dabei hat der Frachter – wohl durch eintretendes Wasser – bereits solche Schlagseite, dass man sich einen Transport von Waren kaum vorstellen kann. Wertvolle Ware wird das nicht sein, gibt es doch auf Great Inagua nichts außer Salzproduktion, die anders verschifft wird, und nicht mehr Gebrauchtes. Ganz offensichtlich nutzt man hier die Nachbarschaft zum armen Haiti und hat keiner der Offiziellen in Matthew Town etwas dagegen.

Der Ankerplatz vor Matthew Town wird uns am 2.Tag zu schwellig und wir verlegen uns in die Man of War Bay. Hier liegt die Betriebsstätte von Morton Salt. Die Salzberge leuchten strahlend weiß hinter feingelbem Sandstrand und türkisem Wasser. Leider ist keiner der Tour Guides verfügbar, so dass wir weder die Flamingos besuchen noch eine Tour durch die Salzproduktion bekommen können. Die Blicke auf die Salzberge sind aber auch so beeindruckend.

Morton Salt Great Inagua. Die Betriebsstätte liegt direkt am Meer. Morton Salt ist der größte Arbeitgeber der Insel, außer Arbeit für das Government und Fischen gibt es aber auch kaum etwas Anderes. Jedes Jahr werden in Great Inagua über 500.000 kg Salz produziert, das ist die zweit größte Saline Nordamerikas.
Salzberge
Salzberge
So hoch sind die Salzberge – oder so klein wir
Das Salz bildet durch Wasser sehr grobe Kristalle, die zusammen härten. Das erklärt, warum der Wind die Salzberge nicht abträgt. Regen spült keine nennenswerten Mengen von den Salzbergen. Great Inagua gilt aufgrund des trockenen Klimas als ideale Betriebsstätte.
Betriebsstätte Morton Salt
Morton Salt Ladeband

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