Von Solomons Island an der Westküste der Chesapeake Bay geht es erstmals an die Ostküste, und zwar nach Oxford. Gelegen in der Nähe von Cambridge. Zwei klingende britische Namen, importiert von britischen Siedlern an die US-Ostküste. Mit Freude bestaunen wir die vielen schönen Straßenzüge aus Kolonialzeiten. Da wissen wir noch nicht, welcher Schock bevorsteht.
Wie viele andere der englischen Kolonialstädte wurde Oxford Ende des 17. Jahrhunderts gegründet. Ursprünglich war der Ort als Umschlagplatz für die umgebendenTabakgebiete wohlhabend. Nur etwa 100 Jahre hielt die Prosperität an, bevor nach der amerikanischen Revolution maritimer Handel an Bedeutung verlor. Eine weitere Blütezeit kam mit Fertigstellung der Eisenbahn 1871. Austern wurden in Konserven verpackt und per Bahn transportiert. Auch diese Einnahmequelle versiegte, als die Austern Anfang des 20. Jahrhunderts nicht mehr wie zuvor wachsen wollten.
Heute hat Oxford unter 1000 Einwohner, von denen der weitaus überwiegende Teil im Rentenalter ist. Als wir durch den Ort laufen, verstehen wir auch den Grund. Nahezu der ganze Ort besteht aus historischen Straßenzügen. Viele der Häuser stehen unter Denkmalschutz. Wir unterhalten uns mit einer Dame, die gerade aus ihrem Haus treten will, als ich meine Kamera darauf richte. Sie entschuldigt sich sogar, mein Foto zu stören und will zurück treten, um mir ein ungestörtes Motiv zu geben. In dem Haus habe sich ehemals einer von 7 Läden des Ortes befunden. Sie besitze es seit etwa 8 Jahren und sie dürfe z.B. nicht wie gewünscht die Fenster zur Straßenseite ändern. Gerne würde sie einen Aufzug einbauen, um für eine Knieoperation im August vorbereitet zu sein. Das Gesuch für den Anbau hinter dem Haus liege aber seit Monaten bei der Denkmalkomission. So wie sie sind gewiss viele Eigentümer in Oxford gebunden.
Hier kauft, wer Liebe zur historischen Substanz und Geld hat. Wir sehen nur liebevoll hergerichtete und gepflegte Häuser. Und so ist dieser Blogbeitrag in seinem ersten Teil quasi ein Bilderbuch. Denn ich kann bei unserer Ortsbegehung nicht aufhören zu fotografieren.
Impressionen aus Oxford
Leider passt das Wetter bzw. Licht nicht fürs Fotografieren, bei Sonne würden die Fotos deutlich schöner.
Was für ein Schock: Unser Anker …..
Der Südwind der letzten Tage, der zunehmend wieder sehr schwülheißes Wetter gebracht hatte, ist in Nordwind umgeschlagen. Der Wetterwechsel war angekündigt und so achten wir beim Ankern im Town Creek am Tag vor der Winddrehung besonders darauf, den Anker gut einzufahren. Viel Kette stecken können wir allerdings nicht, denn zur einen Seite und vor uns haben wir eine Flachzone, zur anderen Seite Nachbarlieger und hinter uns ein Privathaus mit eigenem Holzsteg. Alternativen nahe am Ort und geschützt vor dem aufziehenden stärkeren Nordwind sehen wir abseits der Channel vorm Ort nicht.
Als wir morgens zur Ortserkundung starten, hat sich INVIA bereits um 180 Grad gedreht, der Nordwind ist da, aber nur schwach. Gegen Ende unseres Spaziergangs frischt der Wind auf und bringt Kühle aus Norden mit.
Zurück am Dinghy erwartet uns ein unangenehmes Bild: INVIA liegt viel dichter am Haus hinter dem Ankerplatz, als wir sie verlassen hatten. Fotos davon gibt es nicht, denn es wird hektisch bei uns. Von einem unserer beiden Nachbarliegern wird uns zugerufen.
Nachbarschaftshilfe und eine Riesenmenge Glück
INVIA sei geslippt, also vom Ankerplatz weg gedriftet. Der Nachbarlieger ruft, er habe den Skipper des zweiten Nachbarliegers zur Hilfe geholt. Gemeinsam seien sie an Bord der INVIA gegangen und hätten versucht, die Motoren zu starten. Was aber nicht ging – denn wir schalten bei längerer Liegezeit immer den Hauptschalter aus. Interessanterweise diskutierten wir genau diese Problematik vor einigen Wochen mit anderen Seglern: Im Falle eines Problems kann bei uns niemand von aussen kommend die Motoren starten. Und selbst wenn wir die Tür zum Saloon nicht abschliessen würden, findet ein Aussenstehender kaum den unter dem Navi-Tisch verborgenen Hauptschalter.
Und warum machen wir nun den Hauptschalter aus? Der captain erläutert, dass dies am Booster liegt, der hinter der Lichtmaschine verdrahtet ist und dafür sorgt, dass unsere Lithium-Batterien mit voller Ampere-Zahl geladen werden. Bei eingeschaltetem Hauptschalter stehen die Booster unter Strom, was ihnen auf Dauer nicht gut tut. An sich sollten die Booster anders verschaltet bzw. mit einem eigenen Schalter versehen werden, damit nicht die Starterbatterie mit dem Hauptschalter getrennt werden muss.
Wir haben enormes Glück, dass unser Schiff durch den Pfosten am Steg des Privathauses gestoppt wird. Andernfalls würde INVIA mit dem Heck voran gegen eine Steinmauer auf Grund laufen. Was beide am Heck sitzende Ruderblätter definitiv zerstören und weitere Schäden am Heck verursachen würde. Der Pfosten sitzt zudem genau neben dem schmalen Heck des Steuerbordrumpfes. Etwas weiter in der Mitte würde der Pfosten INVIA zwar auch stoppen – aber zumindest den Träger mit den Solarzellen abrasieren.
Als Konsequenz des Ganzen beschließen wir, unsere Telefonnummer gut sichtbar draußen bei den Motorenschaltern anzukleben. Wenigstens kann man uns dann im Bedarfsfall rufen.
Die Geschichte endet hier noch nicht. Am Folgetag machen der Captain und ich mit Annemarie einen Radausflug nach St Michaels (so schön, Annemarie und Volker von der Escape https://sailingescape.blog/ hier wieder zu sehen, zuletzt hatten wir uns in Georgetown Bahamas getroffen). Als Annemarie und ich die kleine Privatfähre von Oxford nutzen, spricht mich deren Kapitän an. Er hat mich wiedererkannt als die, die am Heck der geslippten INVIA tags zuvor verzweifelt arbeitete, um die Vertäuung am Pfosten des Steges zu lösen. Er berichtet, die Nichte des Hauseigentümers, an dessen Steg INVIA geslippt war, habe ihn angerufen. Das sei etwa 1 Stunde vor unserer Rückkehr zur INVIA gewesen. Er habe dann mit Hilfe unserer beiden Nachbarlieger INVIA am Pfosten und Steg so vertäut, dass sie nicht weiter abgetrieben wurde. Da unsere Fender und Leinen in der Segellast für sie nicht auffindbar gewesen seien, hätten sie ein Seil aus seinem Auto und im übrigen unsere Riggleinen genutzt. Unser Großfall und die Baumschot halten INVIA an zwei Pfosten des Steges, als wir eintreffen. Zwei Fender, die wir zur Absicherung des Dinghys am David montiert hatten, sind zum Schutz des Gelcoats zwischen INVIA und Pfosten angebracht. Und zwar so mit Hilfe unseres Falls und der Großschot, dass wir etwas arbeiten müssen, um unbeschadet frei zu kommen. Mit Unterstützung des sehr netten Hausbesitzers, der dazu kommt, gelingt das aber und INVIA hat allenfalls kleine Kratzer davon getragen.
So ein wahnsinniges Glück und so nette Nachbarn muss man haben!
Als wir uns im zunehmend kräftigen Nordwind und einsetzenden Regen einen anderen Ankerplatz vor dem Ort suchen, kommt das Polizeiboot vorbei, um zu erfragen, ob unser Schiff oder Anderes beschädigt sind. Sie fahren anschließend zum Eigentümer des Privatsteges, an dem INVIA aufgefangen wurde. Wohl um sich nochmals zu vergewissern, dass wir dort keinen Schaden hinterlassen haben.
Zurück auf die Fähre zum hilfreichen Fährkapitän: Er möchte wie auch unsere Nachbarlieger nichts zum Dank annehmen. Aber er freut sich sichtlich, uns persönlich die Geschichte von der Rettung INVIAs zu berichten. Und bittet Annemarie und mich als die einzigen Fahrgäste der Fähre hoch zu sich auf die Brücke. Mit Premiumaussicht genießen wir die Fahrt. Am Schluss besteht der Kapitän darauf, Annemarie und mich im Führerhaus zu fotografieren. Er selbst möchte in unserem Blog weder persönlich genannt noch fotografisch verewigt werden.
Es gibt dann nochmals ein Wiedersehen mit dem Fährkapitän. Als wir mit Annemarie und Volker draußen vor dem ältesten Inn des Ortes zum Abendessen sitzen, stoppt ein großer Truck und jemand springt bei laufendem Motor heraus. Der Fährkapitän lässt es sich nicht nehmen, dem INVIA Captain noch persönlich die Hand zu schütteln. Von Captain zu Captain, meint er dabei.
Über die Restaurantbesuche in Oxford können wir wirklich nicht klagen. Und das liegt nicht nur – aber auch – an der netten Gesellschaft von Annemarie und Volker. Am ersten Abend sitzen wir in Pope’s Tavern mit gutem Essen, italienisch von Amerikanern gekocht. Mehrfach kommt der Eigentümer selbst an unseren Tisch und erzählt, Restaurant und Inn habe er mit seiner Frau erst vor 3 Wochen eröffnet. Die italienischen Gerichte seien nach Originalrezepten seiner Oma zubereitet. Er selbst als gelernter Architekt koche nicht, das erledige ein angestellter Koch. Aber er fertige die Nudeln für das Restaurant selbst und habe gerade eine größere neue Nudelmaschine geliefert bekommen. Außerdem experimentiert er noch mit seiner Espressomaschine und fragt die Männer nach ihrer Meinung zum bestellten Espresso. Bei beiden geht der Daumen hoch. Zum Glück kann der Eigentümer berichten, dass sein Betrieb gut angelaufen ist. Wir wünschen ihm damit weiterhin viel Glück. Noch nirgends konnten wir bisher so ungestört sitzen. Denn im Regelfall kommen Essen und Rechnung schnell auf den Tisch, damit ein Tisch möglichst mehrfach pro Abend belegt werden kann. Hier ist dem nicht so und wir sitzen bis weit nach offizieller Restaurant-Öffnungszeit.
Ein sehr spezielles Erlebnis haben wir im besten der getesteten Restaurants, im Latitude 38. Dorthin gehen wir mit Annemarie und Volker am Abend nach dem Ankerslippen. Wir bestellen alle großzügig. Am Ende des Essens kommt die Restaurantinhaberin an unseren Tisch und meint, wir müssten nichts bezahlen. Sie habe einen Stammgast, der einmal monatlich Gäste eines Tisches einlade. Und das seinen heute Abend wir vier. Wir erfahren den Namen unseres Gönners und stellen fest, dass er eine große Immobilienagentur besitzt. Persönlich bedanken geht nicht, denn der Herr hat das Restaurant bereits verlassen. Wir finden seine Einladung sehr nett und arrangieren mit der Restaurantbesitzerin, dass sie ihm beim nächsten Besuch eine Flasche seines Lieblingsweines als Geschenk von „den deutschen Seglern“ überreicht.
Das Robert Morris Inn als drittes der getesteten Restaurants hat sehr schöne Räumlichkeiten. Die Küche finden sowohl Escape Crew als auch wir in den beiden anderen Lokalen besser.
Wir verabschieden uns nun von einem Ort, an dem wir sehr spezielles erlebt haben. Ein hupender Gruß von der Oxford Fähre begleitet unsere Abfahrt.
Der Bericht über den Radlausflug nach St Michaels kommt noch. Während dessen sind wir unterwegs weiter nördlich, es geht nach Annapolis an der Nordwestseite der Chesapeake Bay.
Addendum: 2 Dinge scheinen ursächlich für das Slippen des Ankers gewesen zu sein. Zum einen konnten wir wegen der Situation am Ankerplatz nicht so viel Kette stecken, wie wir gern gewollt hätten. Zudem bestand war offenbar der Ankergrund aus sehr festem klebrigen Schlamm, in den sich der Anker wohl nur flach eingraben konnte. Der Anker muss sich bei der Winddrehung rausgedreht und nicht wieder richtig eingegraben haben. Der Fährkapitän meinte, der Ankergrund an dem Platz (Town Creek East Cove im Waterwayguide Oxford) sei der schlechteste bis rauf nach Maine. An unserem 2. Ankerplatz (Town Creek Channel laut Waterwayguide Oxford, gegenüber den Marinas) holen wir weichen Schlamm rauf, in den sich ein Anker perfekt eingraben kann. Hätten wir gleich hier geankert, wären wir wohl nicht geslippt.
Freut mich dass alles ein gutes Ende hatte. Glück im Unglück 🤗
Ohne euer Ankerpech hättet ihr wohl ein oder zwei Erlebnisse weniger… Allen in allem wieder einmal ein spannender Bericht! Und Erinnerungen die bleiben!
Schöner Bericht wie immer. Vor vier Jahren waren wir auch hier. Sehr schöne Gegend. Unsere Route ging von Norfolk, Annapolis in den Kanal hoch nach Delaware, runter nach Cap May. Weiter den Atlantik hoch mit der grossartigen Einfahrt nach New York City. War grosartig
Ps. Für den Fall dass zuwenig Kette gesteckt werden kann…gibt es Reitgewichte oder ein Anker Vorspann.
Ich verfolge euch immer noch, super Reise, gratuliere euch dazu.
Hoi Felix,
schön zu lesen dass Du uns noch immer verfolgst! Komme erst heute, am Tag des Achtelfinalsiegs der Schweiz gegen Weltmeister Frankreich, dazu Dir zu antworten:
Ein Reitgewicht anzubringen und beim Anker aufholen wieder abzunehmen ist bei der derzeitigen Konstruktion recht mühsam. Der Spibaum und dessen Verspannungen nach unten ist im Weg. Überhaupt die gesamte Zugänglichkeit zur Ankerkette ist dafür suboptimal. Man braucht 2m lange Arme um an die Kette zu kommen BEVOR sie um die Rolle geht.