Chesapeake City

Auch dieses schöne Kleinod hatten wir auf dem Hinweg zunächst ausgelassen. Dieses Mal bleibt uns genug Zeit für einen Besuch. Und der bringt eine Reihe spannender Erlebnisse mit sich.

Wie geplant haben wir bereits um 02:00 Uhr morgens in Cape May den Anker gehoben, um den Gezeitenstrom durch den Delaware optimal zu nutzen.

Der Weg nach Chesapeake City

Wir gehen dicht unter Land zwischen dem Cape May Point und den Prissy Wicks Untiefen durchs sogenannte Eph Shoal. In dunkler Nacht – der Vollmond ist bereits wieder unter gegangen – fühlt es sich schon unheimlich an: Die Tiefenanzeige springt hin und her. Mal 2, gleich darauf wieder 7m, kurz danach 2,5 und im nächsten Schritt 8m usw. Es rauscht mit einer Lautstärke, wie tosende Brandung an einem Riff. Ist aber „nur“ der Tidenstrom, der am Kapp auf die Untiefen trifft. Ich folge exakt dem Track auf unserer Hinfahrt, will kein Risiko eingehen auch wenn die Rasterkarte gut ist und die Angaben stimmen: Wir hätten immer genug Wasser unter den Kielen, solange wir uns von den Prissy Wicks frei halten.

Dennoch: Wenn ich mich schon in rabenschwarzer Nacht durch so ein Gebiet begebe, dann nur wenn ich ein verlässliches Navigationssystem, einen Plan B und einen Notfallplan C habe. Der Plan B ist in diesem Falle die capitania. Die verfolgt alles am NaviTisch, am autarken PC mit einer anderen Navigationssoftware und einem unabhängigen Empfänger, der sowohl das amerikanische GPS wie auch das russische Glonass, das europäische Galileo & das chinesische  Beidou empfängt (und auch noch das indische IRNSS empfangen könnte, das aber nur regional funktioniert). Zur Sicherheit, und weil man ja nie weiss ob nicht plötzlich der Plotter oder das GPS versagt. Der Notfallplan C wäre übrigens die Navigation mittels der Navionics Software auf dem Handy.

A, B und C aber immer gepaart mit „händischem“ Blick auf die Karte & Peilung, wie man es in der Ausbildung lernt: Der Leuchtturm von Cape May und das Shoal Light Brandywine ist immer in Sicht und wird von mir regelmässig angepeilt.

Durch die Delaware Bay & den CD-Kanal

Wie errechnet schiebt uns der Strom mit 1 – 2kn durch die Delaware Bay, und der seitlich einfallende Wind ermöglicht auch noch angenehmes Segeln, ohne dass sich eine zu steile Welle aufbaut. Fast genau zum erhofften Zeitpunkt erreichen wir die Mündung des CD-Kanals, den wir dann mit zunehmendem Strom von hinten zügig durchfahren können. Bei sengender Hitze und hoher Luftfeuchte, denn der Wind kommt genau von hinten und mit Fahrtgeschwindigkeit. Sprich: An Bord weht nicht mal der leiseste Hauch. Ich verziehe mich in den Saloon und steure INVIA bzw. den Autopiloten mit der Fernbedienung.

Chesapeake City

Wir erreichen Chesapeake City, schaffen es trotz Ebbe mit noch 40cm Wasser unter den Kielen in die Hafenbucht, die mehr Platz bietet als zunächst vermutet und werfen den Anker. Er hält, aber da poppt eine Gewitterwarnung auf. Mein Vertrauen ins Ankern ist noch nicht wieder hergestellt, mir wird mulmig.

Planänderung: Anker wieder hoch. Wir hätten auch am Town Dock von Chesapeake City festmachen könne, Gratis sogar. Platz wäre vorhanden gewesen aber irgendwie scheue ich mich, mit der grossen INVIA fast den ganzen Steg zu belegen. Später macht dann ein noch längeres Motorschiff dort fest – nun gut.

Wir jedenfalls gehen rüber auf die andere Seite des CD-Kanals, zu Schaefers Marine. Beim Rausgehen ist das Wasser weiter gesunken, wir haben noch 10 cm unter den Kielen…. Die berühmte Handbreit. Reicht.

Bei Schaefers können wir längsseits gehen, werden vom Manager Steven Cornett superfreundlich und hilfsbereit empfangen. Er vertäut uns professionell mit Spring und Vorleinen, ich muss rein gar nichts selbst machen oder korrigieren. Als er sieht, dass zwei unserer Fender etwas wenig Luft haben, kommt er kurzerhand mit einer Luftpumpe und pumpt sie auf. Er freut sich, dass wir alles so professionell  vorbereitet und durchgeführt haben (ich wüsste nicht, was, denn das Anlegen war super einfach und den Rest hat er mit seinem Helfer gemacht) und verkürzt INVIA bei der Rechnungslegung um satte 10 Fuss (berechnet uns also nur 41) und das Wasser ist gratis (kostet sonst 10 USD flat). Im Long Island Sound hatten wir für eine Boje schon mehr bezahlt als hier für einen Liegeplatz am Steg.

Entschuldigend meinte er dann noch, dass später hinter uns das Coast Guard Schiff anlegen würde, weswegen er uns ganz nach vorne an den Steg dirigiert hätte. Wegen des Coast Guard Schiffes denke ich mir zunächst nichts – ich erfahre erst später, was es damit auf sich hat.

Mit dem Dinghy queren wir den Kanal und fahren in die Kleinstadt Chesapeake City. Die uns mit ihren historischen Häusern und den vielen kleinen Läden – vor allem gibt es Decoartikel – sehr anspricht, obwohl obendrüber die laute Brücke trohnt.

Die Autobrücke über den CD-Kanal trohnt über Chesapeake City und beschallt diese auch. Sie muss, wie alle Brücken über dem Kanal, so hoch sein, damit die zahlreichen Frachter (und natürlich Segelschiffe) den Kanal ungehindert passieren können.

Während wir im The Bayard House Restaurant zu Abend essen können wir auf INVIA blicken. Da legt das „Coast Guard“ Schiff an. So wie es auf den 1. Blick aussieht will sie zu uns ins Päckchen gehen (also an einer unserer Seiten festmachen) – INVIA ist nicht mehr zu sehen. Schluck! Es ist ein riesiges Stahlschiff, keiner der sonst üblichen schnellen Flitzer. Unsere Tischnachbarn beruhigen uns, meinen die US Coast Guard hätte „deep pockets“ also „tiefe Taschen“. Wenn sie INVIA beschädigen würden, müssten wir uns finanziell keine Sorgen machen. Und nach kurzer Zeit kommt INVIA auch wieder in Sicht – die „WILLIAM TATE“ liegt nun mit gutem Abstand hinter ihr:

Zurück mit dem Dinghy auf die andere Seite, gehen wir erstmal noch einen Cocktail an der Bar im Schaefer´s trinken. Während wir zur INVIA zurück schlendern, am grossen Coast Guard Schiff vorbei, sprechen uns 2 Crew Mitglieder an. Als sie merken, dass wir ihre Nachbarn sind, fragen sie neugierig, ob sie denn mal unsere INVIA besichtigen dürfen. Schlagfertig antwortet die capitania: „Nur wenn wir danach denn auch einen Gegenbesuch machen dürfen „. Das wurde bejaht und so ging es an die wechselseitige Schiffsbesichtigung.  Auf unserer Runde erfahren wir u.a., dass die Ausbildung im Coastguard Center in Cape May – vor dem ankerten wir – 8 Wochen dauert.

Aufgabe der WILLIAM TATE ist die Wartung der Navigationstonnen. Und zwar der ganz grossen, die mit mehreren Metern Durchmesser und einem Gewicht von 5 Tonnen und mehr. Dazu verfügt das Schiff über einen grossen Kran (im Bild mit der Aufschrift „GUIDING THE WAY“), mit dem sie die Schifffahrtszeichen mitsam des daran befestigten Gewichts aus dem Wasser hebt. Die 2 um jeweils 360 drehbaren Propellerantriebe, zusammen mit diversen Strahlrudern, erlauben dem Schiff, automatisch seine Position exakt halten zu können.

Neben einem routinemässigen Wartungsintervall kommt es wohl öfters vor, dass ein Frachter so eine Tonne rammt und dabei beschädigt. Mit INVIA brauchen wir das nicht zu versuchen – danach wäre die Tonne unbeschädigt, aber INVIA Kleinholz. Und wir bräuchten wohl die Coast Guard, um uns zu retten.

Am nächsten Morgen geht die William Tate weiter, während wir noch warten bis die Ströumung zu unseren Gunsten kentert. Gegen 10:30 morgens legen dann auch wir ab. Nächstes Ziel: Swan Creek / Rock Hall.

 

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