An unserem letzten Tag vor Sal wird die Invia richtig voll. Im Ankerfeld von Santa Maria treffen wir eine britische Familie mit zwei kleineren Kindern wieder, die neben uns in San Sebastian de Gomera gelegen hatte. Die Wiedersehensfreude ist beiderseits groß und wir vereinbaren einen abendlichen Besuch an Bord der Invia. Dass die Familie zusammen mit einer anderen unterwegs ist, wissen wir schon aus Gomera und erfahren nun, es sind zwei Schwestern mit Familie unterwegs, jede hat zwei Kinder. Und eine Familie hat unterwegs einen jungen Mann aus Konstanz mitgenommen, der ach so gern in die Karibik möchte. Klar, wenn man als Eltern tagsüber für den Unterricht und die Unterhaltung der Kinder sorgen muss, ist man um jeden Nachtwächter an Bord dankbar. Jedenfalls erreichen uns am letzten Abend auf Sal zwei Dinghys mit insgesamt 9 Personen. Und alle fanden Platz. Schön wars!
Videos & Bilder added by captain
Kurz nach drei Uhr nachts gehen wir vor Santa Maria Anker auf, um die etwa 80 Seemeilen entfernte Insel Sao Nicolau sicher bei Tageslicht zu erreichen und dort einen guten Ankerplatz suchen zu können.
Da wir Fischer und deren Netze auf unserer dunklen Route befürchten, leuchten wir mit der von unserem Freund Michael geschenkten starken Lampe das Wasser vor uns aus. Unzählige fliegende Fische scheuchen wir leider auf und wie das Klatschen sagt, schaffen nicht alle den Weg an uns vorbei. Die Armen! Aber offenbar ist der fliegende Fisch evolutionär Meisterklasse, denn es gibt unendlich viele davon hier.
Schon am späten Mittag erreichen wir Sao Nicolau. Ziel war eigentlich die Ankerbucht vor Tarrafal. Auf dem Weg dorthin sehen wir allerdings im Südosten eine Bucht, die uns anzieht. Im trockenen kargen Südosten leuchtet dort ein grüner Einschnitt, Palmen und Bäume mit einigen Häusern, Carrical. Wir haben beide Lust auf Schwimmen und wollen vor Carrical ankern. Bei der Suche nach dem richtigen Ankerplatz in der beidseits von Felsen gesäumten Bucht hilft uns Pierre, der dort mit seinem Kat Inshalla liegt und die Gegend bestens kennt.
Wie sich später herausstellt, hilft er den Bewohnern der Bucht bei der Elektrifizierung, die zur Zeit nur per Solarenergie funktioniert. Immerhin gibt es im Ort Wasser. Es soll laut Pierre auch drei kleine Läden geben. Als Besucher in dem sehr kleinen Ort findet man die allerdings nicht. Wir sind froh um unsere Einkäufe von den Kanaren und versorgen uns selbst. Nach dem Gang durch den Ort fühlt sich das Leben auf der Invia an wie auf einer Wohlstandsinsel, die nichts mit dem Leben drumherum zu tun hat. Wir haben fließend Wasser und Strom, wir haben eine funktionierende Toilette. Wir stehen nicht mit Bergen von Kinderwäsche an einer Waschschüssel, sondern werfen unser Leinchen an, die 3kg Waschmaschine. Wir haben eine große Auswahl an Lebensmitteln, und und… Was aber vielleicht viele von uns nicht mehr haben : Die Bewohner kennen einander, sie arbeiten zusammen, alles wirkt sehr friedlich.
Carrical ist noch Idylle pur. Klares Wasser, das von Fischen geradezu überfüllt ist. Ein Schnorchlerparadies rund um die Felsen der Bucht. Im hinteren Bereich der Bucht Gärten und im vorderen unter Bäumen Platz für Kühe, Hühner und auch Schweine. Letztere wühlen mit ihren Rüsseln im schwarzen Sandstrand von Carrical, vielleicht auf der Suche nach Krebsen.
Die Einwohner fahren täglich zum Fischen. Die Fische werden an Land ausgenommen, oft von den Jugendlichen und Jungs, dann gemeinsam raufgetragen in das neue Kühlhaus im. Ort. Wer Kontakt aufbaut, kann täglich frischen Fisch aufs Schiff bekommen.
Wir erfahren von Pierre, dass ein Deutscher im Ort siedelt und ein Gästehaus und ein Restaurant betreiben möchte. Angeblich gibt es daneben noch zwei weitere Unterkünfte für Touristen. Die sind für uns jedoch beim Rundgang im kleinen Ort nicht erkennbar. Die Vermarktung ist sicher nicht einfach. Denn Mobiltelefon und Internet funktionieren hier nicht. Der Ort ist nur per Schiff erreichbar oder mühsam über eine Straße, die mehr rotstaubige Buckelpiste als Straße ist.
Pierre organisiert gemeinsam mit seiner Partnerin Valerie für uns und unsere Nachbarlieger Stacia und Thierry ein Aluguer. So heißt auf den Kapverden das Samneltaxi. Eigentlich sollte die Fahrt am Tag nach unserer Ankunft in der Bucht stattfinden. Tatsächlich aber ging es erst einen Tag später los. Machte auch nichts. Wir sind schon sehr entschleunigt. Gibt es halt einen Tag mehr mit Schwimmen und Lesen.
Das Aluguer wird von Jorge gefahren, der in Carrical auch einen kleinen Laden betreibt. Der Laden hat kein Schild und ist nur offen, wenn Jorge da ist. Klar, als wir durch den Ort gingen, fuhr Jorge Aluguer und war sein Laden zu. Da konnten wir den natürlich nicht finden.
Das Aluguer ist ein Pickup, auf dessen Ladefläche beidseits Holzbänke montiert sind. Die Einheimischen füllen ein Aluguer so, dass zwischen den Bänken noch gestanden wird. Für uns war es schon im Sitzen unbequem genug. Unbedingt eine Unterlage für den Sitz – danke an unsere Flachfender – und am besten auch etwas zum Auspolstern im Rücken mitnehmen. Jedenfalls dann, wenn ein Großteil der Straße aus Sandpiste und Kopfsteinplaster besteht, wie die Straße nach Carrical.
Unterwegs halten wir im ersten Ort an der Stecke. Jorge besucht kurz seine hier verheiratete Schwester und bringt ihr Fisch vorbei. Weiter geht es in Richtung Hauptstadt der Insel, Ribeira Brava. Da Sonntag ist, besucht man die Kirche und wir finden nur mit Mühe ein Cafe, das gerade öffnen will. Kaffee? Erst in einer halben Stunde – nun gut, dann halt Wasser.
Wir hören, dass die guten, asphaltierten Straßenabschnitte von Chinesen finanziert wurden im Austausch für Fischereirechte. Jetzt gibt es zwar Orte, die sehr gut verbunden sind. Dafür aber erzählen die Eingeimischen von deutlich reduzierten Fischbeständen. Alles hat seinen Preis und man kann nur hoffen, dass die Regierung der Kapverden dies rechtzeitig erkennt.
Die Rundfahrt über Sao Nicolau führt aus dem staubtrockenen rotsandigen Süden über nach und nach etwas grünere Zonen in den gebirgigen und grünen Norden. Wir sind wieder einmal überwältigt, wie viel verschiedenes Mikroklima eine einzige kleine Insel beherbergen kann.
Unterwegs sehen wir Menschen mit Eseln. Tatsächlich gibt es noch Regionen auf der Insel, die nur zu Fuß erreichbar sind. Und in die Esel Lasten tragen. Jorge ist so nett, unterwegs mehrfach Landsleute mitzunehmen. Unter anderem zwei junge Mütter, die mit sehr kleinen Kindern zu Fuß in den 3 km entfernten Ort unterwegs sind in Begleitung der Väter, die Esel führen.
Wir erfahren, dass die Einheimischen am Sonntag gern zusammen am Strand feiern. Auch das sehen wir unterwegs, Familien mit Kühlboxen auf dem Rückweg vom Strand.
Die Rundfahrt ist überwältigend. Vom staubtrockenen Süden über die Haupstadt bis zum höchsten Berg, dem Monte Gordo, zu dessen Gipfel wir laufen. Über Tarrafal mit der Ankerbucht, in der wir derzeit liegen, bis in den Norden mit spektakulärer Küste. Wir kommen dank tagheller Strahler am Aluguer durchgerüttelt und müde heil im Dunkeln nach Carrical zurück und sind uns einig, etwas ganz Besonderes erlebt zu haben.
Am nächsten Tag besuchen uns Stacia und Thierry an Bord und zeigen uns ihr tolles Filmmusikprojekt (www.vivelavieautourdumonde.com). Valerie und Pierre kommen auch dazu, so dass es Mittag wird, bis wir Anker aufgehen. Wir ankern vor Tarrafal, wo wir wieder Netz haben und uns mit der Welt verbinden können. Und wo die Bewohner deutlich mehr haben als in Carrical. Dafür erwarten sie auch mehr von uns. Sofort kommt ein Ruderboot an unseren Ankerplatz, um eine Inseltour anzubieten. Die kleine Welt in Carrical hat einen bleibenden Eindruck in unseren Herzen hinterlassen.