Von Heizung zu muggy muggy

Am ersten Tag in Hampton holen wir unseren kleinen elektrischen Heizofen heraus, den wir zuletzt im Mittelmeer benutzt hatten. Ein Nordwind-Gebiet bringt für uns ungewohnt kühle Temperaturen und viel Regen. Zum Glück hält das nicht lange an und die Sonne wärmt bald wieder. Schon bald fühlt es sich an wie im Zürcher Zoo.

Dort gibt es die Masoala Halle mit Klima wie im Masoala Regenwald Madagaskars. Anders als im Zoo können wir hier das schwül heiße Klima mit hoher Luftfeuchtigkeit nicht durch die Ausgangstür verlassen. 30 Grad Lufttemperatur gefühlt wie 36 Grad, gepaart mit 85% und mehr Luftfeuchte und fehlendem Wind, lassen die Unternehmungslust schrumpfen. Ich lerne ein neues englisches Wort: „muggy“ bedeutet „schwül“. Muggy ist leider auch noch kombiniert mit sehr kleinen Stechmücken, die bis aufs fahrende Schiff fliegen und mit black flies. Diese Fliegen tarnen sich äußerlich als Stubenfliegen, stechen aber. Und fliegen uns vor allem draußen in der Chesapeake Bay zu, nicht in den Flussarmen.

Kaum Wind, ölige See, am Horizont Gewittertürme, so erleben wir etliche Tage in der unteren Chesapeake Bay
Die Wolkenformationen wie zB diese strahlenförmige sind anders als uns bisher bekannte

Was Landschaft und Ortsbilder angeht, können wir uns ganz sicher nicht beklagen. Sowohl Hampton als auch unsere nächsten Stopps im Chisman Creek, vor Urbanna im Urbanna Creek und bei Sandy Point im Corrotoman River bringen uns in wunderschöne Umgebung.

In Hampton ist unser Standort in der Bluewater Yachting Marina ideal gelegen in Dinghynähe zum Downtown mit Restaurants und Bars und in Laufweite zum Lebensmittel Einkauf. Diesel- und Benzinpreise sind günstig und auf der Marina Webseite veröffentlicht. Anlegen längsseits am niedrigen Steg der Tankstelle ist einfach. 

Am Steg A in der Bluewater Yachting Marina. Man sieht die Pfähle entlang des hohen festen Steges. Wir müssen die Fender quer spannen, um auch bei Schiffsbewegung während der Tide sicher zu liegen. Das schnelle Marina WIFI können wir an Steg A nur schlecht empfangen. Der Empfang an Stegen näher am Restaurant ist besser.
Im Hampton River vor der Einfahrt zur Marina. Rechts der Hampton Yacht Club, geradeaus vor Kopf die Universität Hampton.
Hampton River zwischen Hampton Yacht Club und Universität, fotografiert aus dem Park der Uni Hampton. Schon nicht schlecht gelegen, diese Uni.
Das Gelände der Uni Hampton besuchen wir per Dinghy.
Wir finden einige nette Banknachbarn im Unipark.

Die Idee, Hampton mit einem der Fahrräder der Marina zu erkunden, fällt dem Klima zum Opfer. Mit Dinghy geht es von der Marina über den Hampton River zum Dinghydock in Downtown Hampton direkt vor den Pub der Bull Island Brewing Company. Ein Besuch dort und einer in der Venture Kitchen and Bar stärken genug für einen Gang durch das „Little England“ genannte Viertel Hamptons.

Villen in Little England

Im Zusammenhang mit dem Bau der elektrischen Eisenbahn baute man hier Ende des 19.Jahrhunderts und Anfang des 20.Jahrhunderts in verschiedenen Baustilen (Queen Anne, Colonial Revival, American Foursquare) und schuf mit Elektrifizierung und Schule bessere Lebensbedingungen. In der Little England Chapel konnten auch Afroamerikaner zur Sonntagsschule gehen. Von ihnen gab es damals viele in Hampton, denn es ging das Gerücht, befreite Sklaven könnten in Hampton gut leben und das sorgte für einen Zustrom an Afroamerikanern. Uns fällt dieser große Unterschied zwischen Beaufort und Hampton heute noch auf: In Beaufort sahen wir keine farbigen Menschen, in Downtown Hampton dagegen viele. Ein weiterer großer Unterschied ist das Covidreglement. Während in Beaufort North Carolina fast niemand eine Maske trug, herrscht hier in Virginia Maskenpflicht in öffentlichen Räumen und im öffentlichen Verkehr und man hält sich daran auch.

INVIA wird in Hampton gut bestückt. Für Ausflüge in den zahlreichen Flüssen laden wir ein Kajak an Bord, das wir uns von Amazon zum Marina Office bestellt hatten. Mit unserem zusammen klappbaren Bollerwagen geht es zu Fuß viermal zum Food Lion Supermarkt, um Trinkwasser und Lebensmittel an Bord zu nehmen. Denn in der sedimentreichen Chesapeake Bay können wir unseren Wassermacher nicht betreiben und wollen nicht immer das chlorreiche Leitungswasser der Marinas trinken (obgleich unser Seagull Filter das Chlor ganz gut herausfiltert). Als Fußgänger sind wir eine Ausnahme, denn alles ist auf Autoverkehr angelegt. Man erkennt uns denn auch ab dem zweiten Besuch im Markt wieder und hält uns wahrscheinlich für etwas irre.

Bei diesem Angebot schlagen wir nicht zu. Waffe gegen Fliegen.

Wesentlicher sind allerdings unsere weiteren Bestellungen: Die Navionics Karten USA für den Chartplotter treffen ein und unser neuer Spade Anker. Eine Schweißnaht am bisherigen Spade Anker war offenbar mangelhaft. Bereits in den Bahamas war uns aufgefallen, dass die Naht am Schaft immer weiter auseinander ging. Spade erkennt das als Garantiefall an (es gibt eine „lifetime warranty“ von Spade) und sendet uns einen neuen Anker im Austausch gegen unseren bisherigen. Wir wählen Edelstahl anstelle des bisherigen galvanisierten, weil bei Edelstahl der Schaft aus einem soliden Stück gefertigt ist anstelle des aus 3 Platten zusammengeschweißten. Mit dem Spade Anker haben wir in Bezug auf die Haltekraft sehr gute Erfahrungen gemacht.

Den neuen 35kg schweren Anker bekommen wir per Paket in 2 Teilen. Schaft und Ankerschar müssen noch zusammen gesetzt werden.
Der Captain setzt den Anker zusammen und tauscht mit Hilfe des Spifalls alt gegen neu aus. Anschließend muss noch der alte Anker zerlegt und zur Rücksendung an Spade verpackt werden.

Nach mehreren Marinatagen freuen wir uns auf Natur und starten zur ersten Flusserkundung in den Chisman Creek.

Ankerplatz im Chisman Creek

Man sieht die zahlreichen weiteren Verästelungen des Creeks. Auch in den kleinen Seitenarmen liegen Privatgrundstücke. So sehen wir das in vielen Flüssen.

Die Chesapeake Bay ist mit 311km Länge die größte Flussmündung der USA und beim Befahren nicht als solche erkennbar. Vielmehr wähnen wir uns auf einem riesigen Binnensee. Vielerorts liegen Bojen aus, die Fischreusen markieren. Gerne liegen die auch an markierten Einfahrtskanälen und erschweren die Navigation.

Nahe Hampton sehen wir Bojen in rasanter Geschwindigkeit durchs Wasser ziehen. Wir rätseln: Wer oder was zieht diese Bojen? Auf dem Video sieht man, wie zügig die Bojen unterwegs sind:

Wir müssen sehr aufpassen, um nicht mit einem der zahlreichen Geschosse zu kollidieren. Erst nach einiger Zeit verstehen wir, dass es sich um normale Fischfallen handelt, die fest an Ort und Stelle bleiben (unter der Boje ist eine Leine, an der eine Fischfalle befestigt ist, die wiederum im flachen Wasser auf dem Boden steht). Was wir sehen ist lediglich der starke Gezeitenstrom.

Im Urbanna Creek können wir beobachten, wie morgens die Fischer die Reusen unter den Bojen hoch ziehen und den Fang abholen. 

Hinter unserem Ankerplatz im Urbanna Creek

In die Bay münden zahlreiche Flüsse. Entlang der Flussufer stehen Villen, oft mit privatem Bootsanleger und einer Auswahl an Booten vor der gepflegten Rasenlandschaft, auf die man hier offensichtlich Wert legt. Mit dem Dinghy könnten wir stundenlang durch die Flüsse fahren. Schwierig ist hingegen das Laufen am Flussufer. Die vielen privaten Grundstücke können nicht betreten werden. Vor allem mir fehlt das Beine Vertreten. 

Eine der feudalen Villen, diese liegt im Urbanna Creek

Mit der INVIA endet die Fahrt vor Brücken mit nicht ausreichender Höhe für unseren 23m langen Mast. Unsere erste Brückendurchfahrt machen wir im Rappahannock River. Auch wenn die Brücke mit 33,5m längst genug Höhe für uns hat, ist die Durchfahrt spannend. Irgendwie sieht es bei der Anfahrt immer so aus, als sei der Mast womöglich doch zu hoch.

Brücke Rappahannock River

Brückendurchfahrt Rappahannock: 

Vom Rappahannock River aus zweigen wir in einen weiteren Fluss ab. Diese vielen Flussverästelungen in der Chesapeake Bay erschweren das Navigieren, denn es ist nicht leicht, das nächste Ziel auf dem Plotter in den zahlreichen Verästelungen und Karteninfos zu finden.

Im Urbanna Creek können wir direkt gegenüber dem kleinen Ort Urbanna ankern. Eingebettet in Wasser-/Wald- und Farmlandschaft hat Urbanna inzwischen zahlreiche Rentner angezogen, die sich hier niedergelassen haben.

Offenbar nutzen Touristen und Bewohner innerorts gerne Golfcarts. Wir sehen keine, aber bei unserem Aufenthalt unter der Woche ist Urbanna auch wenig besucht.

Man schätzt die Historie hier. Entlang den Straßen gibt es noch die historischen Gaslaternen und vor etlichen der Häuser stehen Tafeln mit dem Titel „museum in the street“ und Informationen zu den jeweiligen historischen Gebäuden.

Gaslaterne
Tafel „museum in the street“
Historisches Gebäude, Teil des „museum in the street“ und zugleich Sitz des Ladens der Urbanna Trading Company. Öle, Weine, Seifen, Tshirts und mehr sehr schön präsentiert.
Die Bäume sind in diesem wüchsigen Klima sehr hoch. Gerne baut man auf schattige Plätze unter Bäumen.

Vor diesem Haus steht ein Memorial für einen verstorbenen School Officer, offenbar haben Schüler die Holzherzen bemalt.

Für uns ist Urbanna auch deshalb ein so lohnendes Ziel, weil wir den Ort mit Restaurants, Bars und einem IGA-Supermarkt fußläufig erkunden können. Eine der großen Ausnahmen an der Küste, denn zumeist liegt die Infrastruktur mehr im Landesinnern und sind die Ufer mit Privatgrundstücken gesäumt.

Besuch im Laden der Urbanna Trading Company
Der Captain kauft dann doch lieber Wein als Bayerisches Bier
Sogar Geldautomaten sind drive-in. Mit dem Auto vorfahren und vom Autositz aus Geld am Automaten beziehen.

Nicht weit von Urbanna zweigt der Corrotoman River vom Rappahannock River ab. Und gabelt sich nochmals weiter in Western und Eastern Branch. Wir steuern zunächst den West Point an, denn laut unserem Guide soll es dort eine „summer breeze“ geben und die wäre uns sehr willkommen in der Schwüle. Allerdings spüren wir vor Ort kaum einen Windhauch und finden den Platz nicht sonderlich. Der als „scenic“ beschriebene Ankerplatz bei Sandy Point im östlichen Arm gefällt uns hingegen gut.

Sandy Point im Corrotoman River

Ein Gewitter am Abend ist glücklicherweise weit genug weg, um uns nicht zu gefährden. Und es bringt endlich kühlere Temperaturen.

Jedes Anker Aufgehen ist mit Reinigungsarbeit verbunden. Der schwarze Schlamm vom Flussgrund setzt sich in unsere Ankerkette und kommt mit ihr an Bord.
Verschlammte Ankerkette. Der Schlamm sitzt fest und lässt sich nicht so einfach abspülen.
So sollte die Kette eigentlich aussehen.

Bildergalerie:

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