Stationen in Maryland

Etwas schweren Herzens verlassen wir am Mittwoch das so freundliche Leonhardtown. Wir haben unseren Termin für die 2. Impfung mit Pfizer / BioNTech auf Freitag den 18.6. in Solomon Islands gelegt. Zwar wäre eine Verschiebung an einen anderen Ort problemlos machbar: Das geht hier unkompliziert per Internet, und meist ist ein Termin kurzfristig noch am selben Tag frei.

Aber ich möchte zum Impftermin nicht vor Anker, sondern in einer Marina liegen. Falls einer von uns stärkere Nebenwirkungen verspürt sollte medizinische Hilfe unkompliziert an Bord kommen können. Auch wenn sich nur einer von uns krank fühlen sollte, ist es mit direktem Landanschluss und einer Marina-Infrastruktur angenehmer: Mit Landstrom können wir die Klimaanlage laufen lassen, jederzeit von Bord, haben genug Wasser usw. Die Chesapeake Bay hat viele Marinas und zig Tausende, eher wohl Hunderttausende, von Liegeplätzen. Nur sind die meisten für kleinere Schiffe, meist Motorboote, ausgelegt. Ein 51 Fuss langer Katamaran wie INVIA sprengt vielfach die Grenzen. Deswegen müssen wir rechtzeitig im Voraus reservieren – und sind daher weniger flexibel. Für unseren Impftermin habe ich uns 4 Nächte in der Safe Harbor Marina Zahnisers gebucht. Den Termin wollen wir einhalten. Solomons Islands liegt nur etwa 8 Meilen von Leonhardtown entfernt – wenn man den Landweg nimmt. Übers Wasser hingegen ist es erheblich länger.

St Mary’s

Wir gehen erstmal bis St Mary’s und legen uns vor das dortige College und das Freilichtmuseum vor Anker. Beides ist auf dem Areal der ersten Hauptstadt Marylands angelegt. Für europäische Verhältnisse liegt die erste Besiedlung durch Einwanderer im Jahre 1634 nicht lange zurück. Von den damaligen Hoch-Zeiten sieht man heute nicht mehr viel. Die Stadt wurde im 18.Jahrhundert aufgegeben und Maryland ist hier heute nur dünn besiedelt. Entsprechend wenig Ablenkung gibt es für die Mädchen und Frauen, die St Mary’s College besuchen. Teile der kolonialen Hauptstadt wurden seit 1960 rekonstruiert und sind im Freilichtmuseum zu besichtigen, u.a. auch ein nachgebauter Schooner aus den Zeiten der Kolonialisierung. Während der Öffnungszeiten des Museums gibt es Veranstaltungen und man kann Gebäude und Schooner besichtigen. Wir kommen nach 16 Uhr und damit außerhalb der Öffnungszeiten an. Wir können einen Teil des Geländes frei begehen. Hier der Link zur Webseite des Museums: https://www.hsmcdigshistory.org/

Privates Dock des St Mary’s College. Wir fragen den Dockmaster: Auch in Covidzeiten dürfen wir ohne vorangehende Anmeldung mit dem Dinghy anlegen und die Umgebung besichtigen. Der Hauptteil des College liegt jenseits der Straße, die hinter den Dockgebäuden verläuft. Den Teil haben wir nicht besichtigt, da man sich laut Webseite des College in Covidzeiten zuvor anmelden soll.
St Mary’s College und Kirche gesehen vom St Mary’s River aus. Hinter der Kirche beginnt das Freilichtmuseum. Links angrenzend an den Bildausschnitt liegt das Dock des College.
Trinity Kirche St Mary’s mit Friedhof, idyllisch gelegen oberhalb des Flusses
Marterinstrumente im Freilichtmuseum. Da Arbeitskräfte rar waren, strafte man mehr durch Peitschen und zur Schau stellen als mit Folter und Schlimmerem
Freilichtmuseum St Mary’s. Da wir außerhalb der Öffnungszeiten (dh nach 16 Uhr) dort sind, können wir nur einen Teil besichtigen. Der andere ist teilweise nur mit dem freundlichen Hinweis auf „Begehung bitte nur mit bezahltem Eintrittsticket“ unzugänglich. Die ausgestellten Häuser können wir außerhalb der Öffnungszeiten nicht besichtigen.
Den Nachbau des Schooner kann man ebenfalls nur während der Öffnungszeiten besichtigen
St Mary’s, der Pfarrer der Kirche ließ dieses Kreuz als Erinnerung an die hehren Ziele der ersten Siedler aufstellen
St Mary’s Collegegebäude
St Mary’s College
Invia am Anker vor College und Museum

Navy-Schussübungen

Tags drauf haben wir herrlichen Segelwind – können den aber nur für die kurze Strecke aus dem Potomac River zum Point Lookout, der in die Chesapeake Bay führt, nutzen. Danach müssten wir aufkreuzen – was wir nicht dürfen, denn die Navi führt in dem Gebiet Schussübungen durch. Diverse Patrouillenboote riegeln das Gebiet von allen Seiten ab. Wir werden per Funk sehr freundlich darauf hingewiesen und dürfen auf direktem Weg zu unserem Ziel, allerdings nur in einem Korridor max. 1nm von der Küste entfernt. Das reicht nicht zum Segeln, da vielfach bis etwa 0.8nm von der Küstenlinie entfernt unzählige Bojen mit Krabbenfallen daran ausgebracht sind. Bleibt nur motoren, gegen Wind und Strom.

Angekommen in der Marina

Wir gehen längsseits an das T-Dock des Docks E. Wie so oft ist unsere INVIA einfach zu gross für eine Box.

INVIA längsseits am Steg. Danke an SV baji-naji (hinter uns liegend) für dieses schöne Foto
Steg E. Im Haus am Ende des Steges vor dem T-Dock residiert die örtliche Segelschule.

Da wir direkt vor der Segelschule vertäut und am Wochenende in der Marina sind, blicken viele Segler und angehende Segler auf INVIA. Denn am Wochenende finden die Segelkurse statt. Es dauert nicht lange, da werden wir zum Barbecue der Segelschule am Samstagabend eingeladen. Wir sollen allenfalls einen Salat besteuern, alles andere steht bereit.

Auf der Terrasse vor dem Marinaoffice findet an Tischen unter Sonnenschirmen das Barbecue statt. Die Marina verleiht kostenfrei Fahrräder, die wir rege nutzen.
Eichhörnchen vorm Marinagebäude

Bis zum Abend des Barbecue sind wir wieder einigermaßen fit. Schließlich ist das Tag 2 nach der 2.Covidimpfung. Am Nachmittag nach der Impfung und vor allem am Tag danach laborieren wir beide etwas an grippeartigen Symptomen, die capitania ist mit dumpfem Kopf und Müdigkeit sowie Schmerzen am Impfarm weniger grippig als ich mit leichten Kopf- und Gliederschmerzen. Aber schon am 3. Tag nach der Impfung sprüht die capitania förmlich vor Energie und treibt mich an, da auch ich kaum mehr etwas merke.

Die saubere und gut geführte Marina bietet einen Gratis Shuttleservice zur Shopping Mall an, in dem sich auch die CVS Pharmacy befindet, bei der wir unseren Impftermin haben. Da es aber nur 10 min mit dem kostenfreien Fahrrad der Marina zur Pharmacy sind, fahren wir damit. Die Strecke führt an einem viel befahrenen Highway entlang, so dass wir auf dem Bürgersteig fahren, den es hier ausnahmsweise auch entlang des Highways gibt. Wir erreichen nicht nur easy CVS, sondern auch den nicht weit von der Marina gelegenen Westmarine Store. Außerdem unternehmen wir mehrere Einkaufstouren zum sehr gut bestückten Weis Supermarkt auf dem gleichen Gelände wie CVS. Nachdem wir unseren Watermaker in der Chesapeake Bay nicht nutzen können, kaufen wir Trinkwasser zu. In den Fahrradkorb passen jeweils 2 Kanister mit je 1 Gallone, das sind 3,78 l. Uns tut das viele Plastik weh, das wir damit an Bord holen. Wir nutzen die Kanister aber mehrmals und befüllen sie in Marinas mit gutem Wasser wie hier in Solomons wieder.

In Laufweite der Marina gibt es etliche Restaurants. Leider ist es am Wochenende angesichts des Ausflugsverkehrs nach Solomons nicht einfach, einen Tisch zu bekommen. Viele der Restaurants arbeiten mit dem Reservierungssystem OpenTable (Link hier: https://www.opentable.com/n/washington-dc/maryland-dc-suburbs/solomons-restaurants). Wir stellen fest, dass trotz Belegt-Anzeige auf Open Table teilweise in den Restaurants noch Tische frei sind, wenn man im Restaurant direkt fragt.

Arbeitskräfte-Mangel trotz Arbeitslosigkeit

Zu den vielen Statistiken, die ich als Trader auch auf dem Schiff regelmässig verfolge, gehören u.a. die US Arbeitsmarktdaten.

Kleiner Einschub:
Diese Zahlen zeigen seit Monaten einen merkwürdigen Trend. Der nach meiner Erfahrung auf den Beginn einer Lohnspirale und damit eine Inflationspirale schliessen lässt.
Denn anders als gemeinhin vermutet, kommt es in der wirtschatflichen Realwelt fast immer nur dann zu einer längeren Inflation, wenn die Löhne anziehen.
Steigende Löhne -> steigende (Produktions)Kosten -> steigende Preise -> steigende Löhne. Das soll kein politisches Statement für eine Lohnzurückhaltung sein, ist nur eine Beobachtung. Und ist nur einer von vielen Einflussfaktoren, aber der mit Abstand Gewichtigste. Andere Faktoren, über die man in der allgemeinen Presse liest,  können einen zwar kräftigen, aber nur kurzzeitigen Effekt haben. Angesichts des Personalmangels im US Service-Sektor kann man davon ausgehen, dass die offenen Stellen nur dann besetzt werden können, wenn höhere Löhne geboten werden. Und/oder die finanzielle Unterstützung seitens des Staats zurück gefahren wird.

Damit beende ich den Ausflug in mein Tagesgeschäft aber schon wieder – dies ist ein Segel-BLOG und kein Trader-BLOG.

Ich bin fasziniert, live von vielen Menschen hier diesselbe Aussage zu hören: Das Eröffnen neuer Restaurants wie überhaupt das Füllen offener Stellen im Niedriglohnsektor scheitere am fehlenden Personal. Auch das Drydock Restaurant der Zahnisers Marina ist noch geschlossen. Man erzählt uns ganz offen, wer früher im Restaurant gearbeitet habe, überlege sich heute, ob nicht die vom Government zur Bewältigung der Covidkrise ausgezahlten Stimuli zum Leben ausreichten. Wir hören Sorge heraus, wie sich die für amerikanische Verhältnisse untypischen Quasi-Sozialleistungen auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung auswirken werden.

Häuser in Solomons

Methodistische Kirche Solomons
Am Samstag gibt es eine Spinningklasse im Pavillon direkt am Wasser in Solomons. Die Spinning-Räder werden extra dafür gebracht.

Am Montag geht es weiter im Maryland. Zuvor steht noch viel Wäsche und Schiffsputz an. Die unzähligen Fliegen, die unser Schiff bevölkern, hinterlassen ihre Spuren. Und die grün-schwarzen kleinen Flecken auf dem Gelcoat müssen auch weg. Anders als wir zunächst meinen, hat nicht ein Nachbar sein Antifouling oder Gelcoat geschliffen und für die zahlreichen Flecken gesorgt. Viele kleine Spinnen haben ihren Weg auf die INVIA gefunden. „Spider-Pooh“ hat unsere Nachbarin denn auch fachfrauisch angesichts der Fleckenlandschaft diagnostiziert.

Bildergalerie:

Eine Antwort auf „Stationen in Maryland“

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.