Plötzlich hat´s „Rumms“ gemacht!

Und weg war er. Unser Bugspriet. Zum zweiten Mal innerhalb von 1 Woche. Grund sind die Bojen in den BVIs. Wobei – es liegt nicht wirklich an den Bojen.

Sondern an der Konstruktion, mit der unser Bugspriet befestigt ist: Je 1 starke Dynema -Schot zieht sich vorne von einer Befestigung am Bug, knapp über der Wasserlinie, von der Innenseite jedes Rumpfes schräg zur Mitte. So werden die Kräfte der Leichtwindsegel aufgenommen, wenn wir denn ein solches gesetzt haben. Nach unten hält eine leichte Dynema – Leine. Das ist eine Sollbruchstelle, damit der Torsionsbalken oder der Mast nicht beschädigt werden, falls außergewöhnliche Kräfte nach unten ziehen.

Genau diese Kräfte bescheren uns die raschen Wind-Drehungen, teils überlagert mit entgegen gesetzten Strömungen, an manchen Plätzen in den BVIs.

Dann dreht sich INVIA schon mal so, dass die Boje entlastet wird, INVIA sich dreht und die Boje zwischen die Rümpfe kommt. Kein Problem an sich – nur wenn dann just in diesem Moment wieder der Wind aus der ursprünglichen Richtung und mit 20-25kn einsetzt, bewegt sich INVIA nach vorne & die Boje nach hinten – bis die beiden Festmacher an der Boje an den Dynema-Leinen des Bugspriets zerren und den Bugspriet mit enormer Kraft nach unten ziehen.

Hab ichs zu kompliziert beschrieben?

Entschuldigung – ist aber auch nicht so wirklich dramatisch. Ich habe den Bugspriet jetzt komplett abmontiert. So können wir zwar kein Leichtwindsegel mehr setzen – was wir heute bei Windstärke 2 – 3 durchaus gebraucht hätten. Dafür gibt’s keinen Ärger an der Boje. Denn Ankern geht in den BVIs vor allem an den Hot-Spots nur eingeschränkt.

Die BVIs sind DAS Eldorado der Charter-Segler.

Hunderte, ach was: Tausende davon tummeln sich hier. Meist US-Amerikaner. Sehr nette Menschen, auch hilfsbereit – aber keinen blassen Schimmer vom Segeln. Selbst Nachts lässt man die Dieselmotoren durchlaufen. Oft um die AirCon laufen zu lassen – dabei hat es grade Nachts angenehme Temperaturen: Wir auf INVIA ziehen alle  nach Sonnenuntergang ein kleines Jäckchen über und/oder die lange Hose an.

Heli landet auf Megayacht, lässt man sich tatsächlich Frühstück anliefern?

Auf Kanal 16 herrscht Dauerbetrieb. Gut – nicht wie in Kroatien, sondern zivilisiert: Man verabredet umgehend einen separaten Quassel-Kanal. Aber es wird ständig gefunkt. Kein Wunder auch bei all den vielen Yachten, die hier unterwegs sind. Sehr viele Katamarane, und immer mehr solche, die gar keinen Segelmast mehr haben. Keine dumme Idee – Segel braucht der Durchschnitts-Ami eh nicht. Segeln macht alles nur komplizierter, wozu hat man 2 Dieselmotoren?

Zugegeben – ich überzeichne die Sache.

Tatsache ist aber: Ich brauche einige Zeit, um hier warm zu werden. Angekommen aus Anguilla, habe ich erstmal einen Kultur Schock. Während Sohnemann und capitania gleich begeistert sind.

Es ist so ganz anders als die Inseln bisher. Ein Beispiel: An etlichen HotSpots gibt es mit BoatyBall.com ein System, um sich „seine“ Boje vorab zu reservieren. Das geht immer nur für denselben Tag, Vorausbuchen ist also nicht möglich. Das System erlaubt ab 07:00 morgens das Reservieren einer Boje an einem bestimmten Platz. Mehrmals stelle ich mir den Wecker – um dann fest zustellen, dass meine Tastatur oder mein Internet oder auch ich selbst ein paar Millisekunden zu langsam waren. Denn ich schaffe es fast nie, eine Boje zu reservieren. Irgendwer war immer den entscheidenden Tick schneller und nur wenige Sekunden nach 07:00 sind alle Bojen reserviert.

Klingt furchtbar? Ist überhaupt nicht schlimm.

Denn die BVIs sind schön.

Traumhaft schön! Und wenn man mal den Herdentrieb der Charter-Segler durchschaut hat, dann findet man jede Menge traumhafte Plätze (Danke auch an Ute von der Taimada für ihre Tipps!).

Sehr gerne nehmen wir Ankerplätze, die in den einschlägigen Törnführern als „Nicht für Übernacht-Stopps geeignet“ oder „gefährlich“ beschrieben werden. Weil vielleicht ein Riff vorgelagert ist, oder weil bei Südwind Schwell reinstehen kann. Wenn man aber zu navigieren weiss, wenn man die aktuelle Wind- & Wetterlage sich selbst ansieht, dann sind viele dieser Plätze sehr wohl geeignet. Und ist die eine Bucht grade eher ungemütlich, geht man ein paar Meilen weiter in eine andere.

So legen wir uns einen kurzen Dinghy-Tripp neben den „The Baths“ – der Attraktion auf Virgin Goda schlechthin – über Nacht an einem Sandstrand vor Anker. Knapp ausserhalb des gesperrten Bereichs. Wir haben die wirklich traumhaften Buchten und die Attraktion abends für uns alleine. Kein Charterer, keiner der Tausenden von Kreuzfahrer, die täglich hierrüber herfallen, ist noch da.

Unser Ankerplatz neben The Baths. INVIA ist der Katamaran ganz vorne. Dahinter liegt die Outremer 5x „Mama Tried“
Virgin Gorda bei The Baths, Blick von unserem Ankerplatz

Auch an den HotSpots, an denen es zu voll ist zum Ankern, gibt es genug Wettbewerb und immer noch eine freie Boje auf „First come, first serve“ Basis. Und wenn nicht, lässt sich schon noch ein Ankerplätzchen finden. Notfalls halt ein paar Dinghy-Minuten weiter weg.

Sehr schön fanden wir bisher folgende Anker-/Bojenplätze:

Norman Island Benures Bay
St John Hawksnest Bay
Guana Island White Bay
White Bay aus der Vogelperspektive
Long Bay Virgin Gorda, toll zum Schnorcheln direkt in der Bucht, besser als an den vorgelagerten Felsen

Segeln innerhalb der Virgin Islands ist herrlich: Ein sehr geschütztes Revier, selbst bei Starkwind kommt kaum Welle auf. Fast wie Binnensegeln!

Auf dem Weg zum Saba Rock im Gorda Sound, einem rundum geschützten „Binnenmeer im Binnenmeer“ von Virgin Goda
Das Hotel auf Saba Rock (derzeit noch eine Baustelle nach der Zerstörung durch Hurrikan Irma 2017)
Colquhoun Reef Virgin Gorda
Der Fähranleger auf Anegada
Scooter-Vermietung auf Anegada

Um in der Chronologie zu bleiben, sollte ich aber erst mal von unserer Überfahrt aus Anguilla berichten.

Die verlief ereignislos, nur etwas langsamer als geplant, weil der Wind etwas schwächer war. Die erste Hälfte machen wir nur 7-8kn unter Leichtwindsegel (Code D). Erst auf dem letzten Drittel frischt der Wind etwas auf und INVIA kann mit rund 12kn Fahrt wieder Boden gut machen.

In Tortola nehmen wir uns direkt beim Airport eine Boje, um unseren Sohn am nächsten Tag zum Flughafen zu bringen. Er geht zurück nach St. Maarten und von dort via Paris nach Haus.

Skipper und Rudergänger
Absichern in alle Richtungen – immer wieder kommen heftige Squalls
Immer wieder Schauer rund um Tortola, dieses Mal bleibt der Captain trocken. Tapferer Rudergänger – Sohn!
Am Flughafen Tortola verabschieden wir unseren Sohn

Wir verabschieden unseren Sohn unter lautem Gekrähe

In Tortola (BVI) West End klarieren wir aus und gehen gehen nach St John (USVI), wo wir dank unseres B2-USA Visums problemlos & zügig einklarieren können (Das sonst für USA-Reisen übliche ESTA gilt nur, wenn man mit einem öffentlichen Transportmittel in die USA einreist. Hier mehr Infos zu den Formalitäten samt Bürozeiten der Costums: https://www.bvimarineguide.com/clearance.html).

Strassenbild St John
Die Polizei ist ordentlich ausgerüstet

3/4 von St John ist ein US- Nationalpark. Ankern verboten. Jedoch gibt es zahlreiche, perfekt gewartete Bojen der Nationalpark-Verwaltung. Tagsüber gratis, bei Übernachtung zahlt man 26USD in die Kasse. Die befindet sich meist auf einem schwimmenden Floss, das mitten im Bojenfeld verankert ist.

Von St John gehen wir weiter zur Hauptinsel St Thomas. Unsere Tochter in Empfang nehmen, die just an dem Tag aus Zürich abflog, an dem Sohnemann wieder in Zürich ankommt. Ein gemeinsamer Termin mit beiden liess sich leider nicht finden, da beide an der Uni unterschiedliche Prüfungspläne hatten. Auch in St Thomas lässt uns der Regen nicht alleine. Die capitania strahlt dennoch. Denn es gibt ein Paradies für sie in Charlotte Amalie : Die Fruit Bowl, einen Laden voller Obst und Gemüse, zudem Feinkost. Gut erreichbar per Dinghy zum Yacht Harbour Grand und dann weiter zu Fuß.

St Thomas Charlotte Amalie
Fort St Thomas Charlotte Amalie
St Thomas French Town Charlotte Amalie
Wasserflugzeug St Thomas Charlotte Amalie

Von St Thomas gehen wir wieder zurück in die BVIs, mit Tochter an Bord.

Unsere Tochter hat lebenswichtige Ersatzteile aus der Schweiz mitgebracht.

Noch ein Thema beim Segeln in den Virgins: Müllentsorgung. Es gibt offizielle Stellen, oft aber im Ort auch öffentliche Mülltonnen, die man sich suchen muss. An den offiziellen Stellen wird des öfteren ein Beitrag von 3 US Dollar verlangt, völligin  Ordnung, ist ja schließlich auch Aufwand, die Entsorgung unserer Abfälle. In Tortola West End ließ der Costums-Officer Mutter und Sohn mit dem Abfall zur Tonne außerhalb des Costums Geländes passieren, um anschließend bei der Rückkehr die Papiere zu verlangen. Da wir nicht zum Ein-, sondern zum Ausklarieren dort waren, gab es keine Probleme. Wäre der Müll entsorgt worden, während der Captain im Office einklarierte, hätte es wohl Ärger gegeben. Hier die offiziellen Abfall-Entsorgeplätze:

Dies stammt aus einer Broschüre, die man uns beim Einklarieren in Spanish Town Virgin Gorda überreichte. Die Behörden dort sind nach unserem Eindruck wesentlich zugänglicher als die in West End Tortola. Während man uns in West End Tortola nach unserem Abstecher in die USVI fast nicht wieder einklarieren lassen wollte, war das gleiche Thema für Spanish Town unproblematisch. Es ging dabei um die Höchstdauer von jährlich 30 Tagen, auf die das Cruising Permit in den BVIs begrenzt ist. In Tortola wollte man die Regelung zunächst so auslegen, dass die 30 Tage mit der Ausreise aus den BVIs abgelaufen seien. Gutes Zureden des Captains brachte Einsehen. Bei einer Kontrolle der Costums auf der Invia vor Spanish Town erklärte der Officer hingegen, die Frist werde im Augenblick der Ausreise gestoppt und die verbliebenen Tage ständen bei Wiedereinreise noch zur Verfügung. Zwei Officer, zwei verschiedene Sichtweisen.

Auch wenn es in den BVI sogar eine eigene Kakerlaken-Insel gibt, sind wir glücklicherweise viecherfrei. Ein Passagier an unserer Flagge erwies sich als ein Gemisch aus Spinne und Wespe und hat uns inzwischen verlassen.

Cockroach Island
Unbekannter Passagier
Unbekannter Passagier

Bildergalerie: