Segler sind auch Menschen. Umgänglicher und offener als der Durchschnitt, so mein Eindruck. Aber es gibt eben auch solche und solche – selbst unter Outremer Besitzern. Dazu muss ich noch ein Erlebnis nachreichen. Einfach weils auch in diesen BLOG gehört.
Als wir INVIA vor gut 3 Wochen nach La Grande Motte brachten, gingen wir zunächst in einer der für LGM typischen Katamnaran-Liegeplätze, eine Box am Ponton P.
Beim Rückwärtsanlegen spürte ich knapp vor dem Steg plötzlich, dass sich etwas an unserer Backbordschraube verfangen haben musste. Zum Glück habe ich für solche Fälle einen RopeStripper am Propellerschaft nachgerüstet (siehe Ausrüstungsliste), der in den meisten Fällen eingefangene Leinen automatisch in Hächselgut verwandelt und eine Blockade von Propeller & Getriebe verhindert.
Ursache war ein extrem unglücklich (wollte zuerst fast schreiben, dämlich) positionierter Kugelfender am Nachbarschiff, eine schöne Outremer 5X.
Zu sehen war: Der Kugelfender schwamm im Wasser und war mit einem breiten Gurt an der 5X befestigt. Nicht zu sehen war: Der Kugelfender hatte eine zweite, lange Leine. Die trieb unsichtbar im Wasser – im Bereich der Liegebox, in die ich INVIA manövrierte. Es kam dann auch wie es kommen musste: Ratzfatz hatte ich die treibende Leine in der Schraube. Vermutlich war diese treibende „Kugelmine“ ja keine Absicht oder Dummheit. Eher war die 2te Leine des Fenders nur unsachgerecht befestigt, hatte sich gelöst und trieb als „Propellerfänger“ in unserer Box. Sowas kommt vor, liegt aber dennoch in der Haftung des Schiffeigners.
Nun kenne ich das Nachbarschiff: Es lag in La Grande Motte als wir 2017 die INVIA übernahmen. Durch einen kurzen Austausch habe ich auch die Kontaktdaten des Eigners, einem deutschen Paar.
Da bahnt sich etwas an, doch ich merke es (noch) nicht
Ich wies den gerade in Deutschland weilenden Eigner darauf hin, was sich da im Heck seiner 5X tut und bat ihn um Erlaubnis, sein Schiff betreten zu dürfen um die treibende Gefahr zu beseitigen. Die Erlaubnis bekomme ich – zusammen mit einem Hinweis, dass alles in bester Ordnung war als er sein Schiff verlassen habe, er das ganz genau wisse und an dem treibenden Kugelfender andere Schuld seien. Da ich ihn lediglich informieren aber keinerlei Ansprüche geltend machte (schliesslich hatten wir dank RopeStripper keinen Schaden, also warum ein Faß aufmachen?), bin ich erstmal nur verwundert.
Der Eigner bittet mich noch nachzuschauen, ob an seiner 5X sonst alles in Ordnung sei. Vielleicht etwas naiv, weil ich eher an das Gute im Menschen/Segler glaube, denke ich mir nichts weiter dabei und mache das. Mir fällt ein Schaden an der Scheuerleiste auf, offenbar älter: Die fehlende Stelle ist von einer Staubschicht überzogen und die Bruchstelle schon von der Sonne verfärbt. Darauf weise ich ihn hin, gleichzeitig davon ausgehend dass er das ja wohl schon längst wissen müsse. Nein, davon wisse er rein gar nichts.
Nachtigall, ick hör Dir trapsen….
Ich sag erstmal auch nichts mehr aber meine Alarmglocken läuten. Ich hole mir umgehend die Kamera und fotografier die Schadensstelle. Und 2 Mitarbeiter der Werft als Zeugen, die unabhängig voneinander und ungefragt sofort kund tun: Dieser Schaden an der Scheuerleiste der 5X kann unmöglich von einer 51er verursacht worden sein. Zum einen geht das physikalisch gar nicht. Weil die 51er an keiner auch nur im Entferntesten in Frage kommenden Stelle hoch genug ist, um die 5X an der Stelle überhaupt zu berühren (Das Freibord der 51er INVIA ist im ganzen Heckbereich deutlich niedriger als das einer 5X). Zum anderen fällt beiden sofort auf, dass der Schaden älteren Datums sein muss.
Überraschung!
Nichtsdestotrotz erreicht mich am nächsten Morgen eine Email von Pantaenius, unserem Versicherer:
„Wir wurden informiert, dass durch Ihr Schiff ein Schaden am Nachbarboot entstanden sein soll. Gern übernehmen wir die komplette weitere Schadenbearbeitung für Sie.
Bitte senden Sie uns die Yacht Haftpflicht Schadenanzeige mit einem genauen Schadenbericht ausgefüllt und unterschrieben zurück. Wenn Sie weitere Unterlagen (z.B. Schadenfotos) haben, fügen Sie diese bitte bei. Mit dem Anspruchsteller nehmen wir dann Kontakt auf.”
Das kam aus heiterem Himmel, ich fiel fast vom Stuhl. Als ich mich etwas von dem Schock erholt hatte orientiere ich Pantaenius über die Sachlage, sende ein paar Bilder. Es dauert nicht lange und Pantaenius antwortet mir:
„Anhand der Fotos unterstützen wir Ihre Vermutung, dass es sich hier um einen älteren Schaden handelt. Auch, dass Sie den Schaden nicht verursacht haben, liegt für uns nahe. Sollte sich ein potentiell Geschädigter bei Ihnen melden, können Sie diesen gern direkt an uns verweisen. Wir werden dann im Sinne der Versichertengemeinschaft ungerechtfertigte Ansprüche abwehren.“
Gut so, das wäre geklärt. Ich rede dennoch mit Outremer, erzähle dass mir da einer Trouble machen will – und der 5X Eigner bekommt seine Leiste gratis repariert.
Glücklich scheint er darüber nicht zu sein. Vermutlich hatte er sich mehr erhofft. Im fernen Deutschland weilend, weiss er alles ganz genau. Er wirft mir (nach erfolgter Gratis-Reparatur!) vor, ein missglücktes Anlegemanöver gemacht und sein schönes Schiff beschädigt zu haben. Und nun sei ich dreist & frech und würde meine Schuld abstreiten. Ja und was wenn die neue Leiste nun eine etwas andere Farbe hat….
Nun ja. Es gibt eben im Leben solche und solche Menschen. Und Segler sind halt auch nur Menschen – von manchen hält man sich besser fern.
Oh je… man denkt, diese Art von Nachbarschaftsgerangel gibt es nur unter denen, die sich gegenseitig mit Gartenzwergen (z.B.Stinkefinger gegen Hoserunter) beglücken…! Man erwartet in Seglerkreisen eigentlich einen höheren IQ…als unter denen, die dann am Feierabend mit Feinripp-Schiesser-Unterhemd in der obi-Gartenlaube sitzend, das erste Weißbier zwitschern…
Eine interessante Antwort. Aber werden darin nicht vor allem Clichés bedient? Es gibt allerlei Segler weniger reiche, sehr reiche, smarte und weniger clevere.
Allerdings, so meine Erfahrung, wird der Umgangston je weiter man von der ersten Welt enfernt ist besser, dh. kameradschaftlicher.
Mit Seglergrüssen
James
Ich habe im Laufe meiner mehrjährigen Weltumseglung insbesondere unter den Langfahrern welche angetroffen, die sich mit solchen und anderen Geschichten durchs Leben schnorren. Scheint hier nicht zu gelten, eine Outremer kostet etwas mehr als Kleingeld. Ich denke der Eigner der 5X will nur geschickt von der eigenen Haftung ablenken und bauscht deswegen eine „Gegendrohung“ auf. Erlebt man auch immer wieder bspw. bei Verkehrsunfällen. Manche Menschen können das sehr dominant und fordernd.
Du hast richtig erwähnt: Es ist der andere Schiffseigner, der dafür haftet wenn eine von seinem Schiff ausgehende gefährliche Unterwasserleine in der Nachbarbox treibt: Dort hat sie nichts verloren.
Ich an Deiner Stelle hätte nicht klein beigegeben.
Woher weisst Du denn mit Sicherheit, dass die eigefangene Leine keinen Schaden hinterlassen hat? Die Bezahlung eines professionellen Tauchers, evtl. auch eine Auswasserung um alles zu prüfen wäre das Mindeste, was ich vom anderen fordern würde. Auch ein Folgeschaden am Saildrive Getriebe, ausgelöst durch die abrupte Belastung beim Einfangen einer Leine, evtl. eine spätere Undichtigkeit am Wellendichtring usw. – das alles kann die Folge sein!
Danke Tom für diesen Input.
In der Tat haben wir INVIA tags darauf aus dieser Box und dann aus dem Wasser geholt. Allerdings hatten wir das sowieso vor, da u.a. die Erneuerung des Antifouling anstand. Ich habe keine Lust mir wegen sowas ein Scharmützel zu liefern.
Und unser RopeStripper hat wirklich gute Arbeit geleistet, denke das Getriebe ist verschont geblieben. Aber ich gebe zu: Deine Gedanken haben´s in sich. Behalt ich für die Zukunft mal im Hinterkopf.