Barbuda, zwischen Strand und Politik

Montagmorgen gehen wir in Jolly Harbour kurz an die Tankstelle, Diesel auffüllen. Der ist in Antigua mit umgerechnet 1,10 €uro/Liter günstig.

Zwar nicht ganz so günstig wie in Sint Maarten: Dort liegt der Literpreis noch unter 1 €uro. Aber ich weiss aus den beiden vorangegangenen Besuchen in Antigua, dass die Qualität ausgezeichnet ist: Nirgendwo habe ich so glasklaren & schwefelarmen Diesel bekommen wie hier. Nur knapp 19,5 Gallonen, etwa 74 Liter, passen rein – unsere Tanks sind noch recht voll vom letzten Mal Tanken in English Harbour (ebenfalls Anigua).

Aber nach meinen Erfahrungen in Trinidad, wo wir satte 10 Liter Wasser im Diesel hatten und ich den ganzen Tank reinigen lassen musste, möchte ich die Gelegenheit nutzen. Das sollte dann locker reichen bis weiter die US Küste hinauf. Wir sind schliesslich ein Segelschiff!

Unter Code D segeln wir nach Barbuda. Wenig Welle, leichter Wind, INVIA pflügt mit 8 – 9 Knoten durchs Wasser. Es ist einfach traumhaft! 30 Seemeilen soll Barbuda entfernt sein. Komisch nur: Auch nach 2 Stunden ist noch kein Land in Sicht. Ich prüfe mehrfach meinen Kurs und das GPS-Signal: Es passt! Die Insel ist einfach sehr flach. Erst 6 nm vorher kommt die Silhouette in Sicht.

Vor Cocoa Point fällt der Anker in 5m Wassertiefe. Ganz nahe an einem traumhaften, langen & menschenleeren Sandstrand. Der Untergrund steigt erst sehr spät steil an, ich lassen den Anker nur etwa 40m vom Ufer entfernt fallen. Ein paar Schwimmzüge und schon ist man an Land! Hatten wir zuletzt so nur in Bequia machen können.

Herrliches Segeln über türkisem Wasser, entlang gelber und manchmal gar pinkfrabener(!) Strände
Karibiksegeln pur
Barbudas Strände gehören zu den schönsten dieses Planeten. Ein Traum in Türkis, Blau, gelbem & manchmal pinkfarbigem(!) Sand.
Vor Anker in Cocoa Point, Barbuda

Phänomenale Farben auf Barbuda

Die Farben auf Barbuda sind grandios.

Türkises Wasser, und ein extrem feiner Sand in gelb. Wie aus dem Bilderbuch. Später verlegen wir uns weiter nördlich in die Low Bay, vor die Codrington Lagune. Etwas weiter nördlich ist der Strand tatsächlich pink. Ja – pink! Eine dünne Schicht pinkfarbener Kristalle liegt über dem Sand, dort wo immer wieder die Wellen überspülen. Es ist unbeschreiblich. Leider haben wir kein Foto davon. Anlanden mit dem Dinghy ist nämlich kompliziert: Es hat zuviel Welle, die sich kurz vor dem Ufer bricht. Nachdem unsere Freunde von der VAIREA, die ein paar Tage zuvor hier waren, beim Anlanden beinahe verunfallt wären, lassen wir das Dinghy an Bord und schwimmen. Und beim Schwimmen haben wir die Kamera bzw. das Handy nicht mit.

Die Lagune

Der Hurrikan Irma hinterließ 2017 auf Barbuda verheerende Verwüstungen. Er hat u.a. eine große Öffnung in die Lagune geschlagen, indem er einen Teil des Sandstrands einfach ausradierte. Mit betroffen auch dieses Hotel, das direkt am Strand lag. Rechts davon (nicht mehr im Bild) ging vor 2017 der damals etwa 10km lange Strand weiter. Heute klafft eine Lücke – und ermöglicht es uns, mit dem Dinghy in die Lagune zu fahren.

Die Natur arbeitet unermüdlich und mit gewaltigen Kräften. Bereits früher hatte manchmal ein Hurrikan eine Lücke geschlagen – die dann im Laufe der Zeit, oftmals binnen 1 – 2 Jahren, wieder gefüllt wurde. Die Lücke, die Irma riss, ist riesig. Aber auch diese wird wieder unermüdlich mit Sand gefüllt, den das Meer heranschleppt. Inzwischen ist es nur noch in der Mitte möglich, mit dem Dinghy zu passieren. Und das auch nur vorsichtig, denn je nach Wind & Schwell gibt es ordentlich Welle über der Barriere.

Öffnung von Low Bay in die Codrington Lagune

Men of War

Auf Englisch heissen die Fregattvögel auch „Man of war“ – Vögel. Denn sie jagen gerne und gekonnt anderen Arten die Beute ab. Im nördlichen Teil der Lagune (siehe Karte weiter oben) nistet eine – durch Irma stark dezimierte aber inzwischen wieder wachsende – Kolonie dieser faszinierenden Vögel.

Mit George Jeffery (er ist 72, wie wir später im Internet nachlesen) und seinem Schnellboot fahren wir durch die Lagune zu den Nistplätzen.

Dabei wird uns erneut vor Augen geführt, mit welcher Macht Irma auf Barbuda wütete:

Dieser Container wurde vom Hurricane Irma mehrere Kilometer durch die Luft gewirbelt. Er landete schliesslich in den Mangroven der Lagune.

Das Schauspiel ist faszinierend. Wir sehen zum einen ganz junge puschelig weiße Vögel, die im Nest behutsam von beiden Elternteilen aufgezogen werden. Aber wir erleben auch die Paarungszeit mit balzenden Männchen, die ihre Kehle zu einem roten Balloon aufplustern.

Warum?

Na so wie wir Männer halt sind: Um den noch nach einem Partner suchenden Weibchen zu imponieren.

Ab hier schreibt die capitania:

Zur Politik

Zurück zum Hurrikan Irma und dem politischen Teil unseres Beitragstitels:

Die Folgen von Hurrikan Irma sind auf Barbuda noch deutlicher zu sehen als auf den anderen damals betroffenen Inseln. Irma als einer der stärksten Hurrikans der Geschichte hatte im September 2017 auf Barbuda seinen ersten Landfall. Die nur 62 Quadratkilometer kleine und flache Insel wurde so stark getroffen, dass fast alle Infrastruktur zerstört wurde. In Codrington, dem einzigen Ort auf Barbuda, stehen noch mehr als 2 Jahre nach dem Hurrikan viele zerstörte und verlassene Häuser. Dazwischen Wiederaufgebautes, auch eine Kindertagesstätte und eine Schule. In den kleinen Läden nur sehr geringe Auswahl, wenig Frisches. Die nagelneue Bankfiliale wurde gerade erst wieder eröffnet. Das ehemalige Krankenhaus gibt es nicht mehr. Die wenigen ehemals existenten Hotels sind noch zerstört.

Neu und zerstört nebeneinander
Codrington Kindertagesstätte
Verkaufsstand
Kontrolle Motorraum, selbst ist die Frau!

Woran liegt es, dass nicht mehr wiederaufgebaut ist? Zum einen an der enormen Größe der Schäden und der geringen Wirtschaftskraft der Insel. Ertrag lieferten früher Landwirtschaft, Jagd und Fischerei.

Fischerei gibt es noch. Die Hummer Barbudas sind berühmt. Sie kommen zur Eiablage in die große Codrington Lagune. Rund um die Insel gibt es daher genug von den begehrten Schalentieren.

Blick von Low Bay auf Codrington mit Lagune

Landwirtschaft und Jagd hingegen spielen keine große Rolle mehr. „Wildtiere“ zum Jagen im eigentlichen Sinne gibt es nicht. Zu Kolonialzeiten wurden extra Tiere ausgesetzt, um den Kolonialherren ein Jagdvergnügen zu bieten. Aus der Kolonialzeit stammen noch die vielen Pferde und Esel, die man heute frei auf der Insel herumlaufen sieht. Bis vor kurzem liefen in Codrington auch noch Schweine und Ferkel frei herum. Wir sehen einen Aushang vom 16.01.20, mit dem die Bewohner aufgefordert werden, ihre Tiere einzusperren. Codrington sei das eigene Zuhause und darin wolle man keine streunenden Schweine. Die Jagdzeit ist also vorbei. Für Landwirtschaft ist Barbuda inzwischen zu trocken. Die flache Insel hält wenig Regenwolken fest, so dass es an ausreichend Süßwasser für den Ackerbau fehlt.

Erste Luxushotels und den offenbar bei den Reichen und Schönen bekannten Klub K hat Irma hinweg gerafft. Es gibt politische Zankereien zwischen dem kleinen Barbuda und der großen Nachbarinsel Antigua über die weitere Entwicklung Barbudas. Beide bilden gemeinsam einen Staat, der Mitglied des britischen Commonwealth ist, Überbleibsel aus Kolonialzeiten. Regiert wird er durch Senat und Oberhaus, die beide ihren Sitz in Antigua haben. Die politische Vertretung Barbudas darf einen Vertreter in den 17 Köpfe starken Senat entsenden. Entsprechend schwer ist es für Barbuda, eigene Interessen im Gesamtstaat zu vertreten.

Wie stark die Einwohner Barbudas ihre Abhängigkeit vom großen Antigua spüren, zeigt die Schilderung unseres Guides George über die Zeit unmittelbar nach Irma. Er sagt, er sei arrestiert und gezwungen worden, Barbuda zu verlassen und sich nach Antigua evakuieren zu lassen. Offenbar empfanden viele Bewohner Barbudas die Evakuierung als Affront. Eine Lady bei den Customs erzählt dagegen, nach dem Hurrikan hätten auf Barbuda so viele tote Tiere herumgelegen, dass Angst vor Seuchen bestanden und man evakuiert hätte. Dazu drohte mit Hurrikan Maria nur wenige Tage nach Irma erneute Verwüstung, so dass auch insoweit Grund zur Evakuierung bestand.

Besonderen Grund zur Zwietracht zwischen den Inselnachbarn gibt die Eigentumsfrage auf Barbuda. Darüber bestand schon vor Irma Streit. In der Post-Irma-Zeit werfen die Einwohner Barbudas der Regierung in Antigua vor, ihre missliche Situation auszunutzen. Worum geht es? Die Einwohner Barbudas reklamieren ein gemeinschaftliches Eigentum an allem Inselland für sich. Im Barbuda Land Act von 2007 wurde das vom Staat Antigua und Barbuda auch anerkannt. 2016 setzte man die Anforderungen an Entscheidungen über Großinvestitionen so herab, dass große Hotelprojekte auf Barbuda wesentlich einfacher umzusetzen wären als noch 2007 geregelt. Eine Gruppe von Einwohnern Barbudas wendet sich dagegen und bringt vor, die Abstimmung 2016 sei nicht korrekt abgelaufen. Sie wollen Großprojekte auf Barbuda verhindern.

Die Regierung Antiguas will statt des gemeinschaftlichen Eigentums auf Barbuda persönliches Grundeigentum schaffen. Vorgeblich soll das den Bewohnern ermöglichen, ihr Land zu beleihen und mit dem Geld Wiederaufbau zu finanzieren. Die Einwohner Barbudas sehen das als Vorwand und meinen, angestrebt sei in Wahrheit ein Ausverkauf der herrlichen Strandgrundstücke. Sie befürchten, ihre Kinder könnten einst kein Land mehr auf der Insel erwerben weil entweder an ausländische Investoren verkauft oder zumindest zu teuer geworden.

Die Einwohner Barbudas lehnen touristische Entwicklung nicht völlig ab. Sie wollen aber kleine Projekte, in denen auch sie mitarbeiten können. Sie befürchten, in den Großprojekten nur einfache Handlangerarbeiten ausführen zu können, weil zu Weiterem die Ausbildung fehlt. Ganz wichtig wäre daher, für bessere Ausbildungsmöglichkeiten und Eigeninitiative zu sorgen.

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