Wehmut hat die Crew der INVIA befallen, denn just heute hiess es wieder mal Abschied nehmen. Abschied von etlichen neu gewonnenen Freunden. Viele gehen mit der Salty Dawg Homebound Flotilla auf direktem Weg an die US Ostküste. Unter anderem Ann & Richard von der 2Canoes, einer Outremer 51 mit Baunummer 47 (INVIA ist Baunummer 46).
Auch die Queen of Hearts, eine Lagoon 440, mit Clark & Marylin an Bord gehen. Die Gilly Girl ging schon die Woche vorher.
Die Salty Dawg ist professionell organisiert (Amerikaner eben) und unterstützt die Segler auf dem Weg an die US-Ostküste. Mehrere Flotillen sind bereits unterwegs bzw. haben ihr Ziel erreicht. Am 20.5. geht die letzte. Für diese letzte habe ich die INVIA angemeldet. Das war aber nur unser Plan B – und seit gestern ist es nur mehr Plan C und im Grunde gestorben.
Die capitania will nur im äussersten Notfall in die USA. Und sie hat nicht Unrecht: Es ist ein weiter Weg. In eine Region mit vielen Covid-19 Fällen. Dafür aber auch mit relativ wenigen Reisebeschränkungen.
Flagge & Coronavirus
Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun? Denkste!
Unsere Uhr tickt: Die Hurricanesaison rückt näher. Wir liegen in der Francis Bay auf St John, US Virgin Islands. Eine wunderschöne Insel. Mitten im Hurricanegürtel. Alle Grenzen sind geschlossen: Wir können nirgendwo hin. Nirgendwo? Stimmt nicht ganz, die 1.200 nm entfernten USA würden uns Zuflucht gewähren. Wofür wir sehr dankbar sind.
Martinique ist als Überseedépartement und Region Frankreichs ein vollintegrierter Teil des französischen Staates und damit Teil der Europäischen Union. In Martinique warten einige alte Bekannte und Freunde. Neben vielen anderen auch die Baradal, mit der wir eigentlich gehofft hatten in dieser Saison die US Ostküste unsicher zu machen. Die wir schrittweise über Puerto Rico, die Dominikanische Republik & die USA Bahamas erreichen wollten.
Martinique liegt noch im Hurricane-Gürtel, jedoch am südlichen Rand. Binnen 24 Stunden – bei gutem Wind deutlich schneller – ist man von Martinique aus weit genug im Süden und raus aus dem Hurricanegürtel. Lust auf die erdrückende Hitze im karibischen Sommer – zu dem sich dann ab ca. August auch noch Windarmut gesellt – hat keiner von uns. Aber in Martinique können wir – bei erstklassiger Infrastruktur und optimalen Versorgungsmöglichkeiten – zusammen mit anderen abwarten. Abwarten ob eine der südlicheren Inseln (ABC Inseln, Grenada oder Trinidad) die Grenzen öffnet.
Doch Martinique lässt uns nicht rein:
Nur Yachten unter europäischer Flagge mit europäischer Crew dürfen nach Martinique einreisen. Europäer sind wir, sogar EU Bürger.
INVIA jedoch trägt die Flagge der Marshall Inseln:
Über die Gründe, wie es zu dieser Flagge kam, habe ich ausgiebig berichtet (nachzulesen oben unter „Flaggenfrage“).
Wir fragen direkt bei der Martinique Coast Guard an und erhalten einen ablehnenden Bescheid, sogar auf Englisch (bei Franzosen sehr ungewöhnlich). Aus dem Bescheid geht sogar deutlich hervor, dass nur EU-registrierte Yachten einreisen dürfen. Womit bspw. Schweizer oder Norweger ausgeschlossen wären.
Wir fackeln nicht lange:
INVIA soll die Flagge wechseln.
Inzwischen wohnen wir offiziell in Panama und nicht mehr in der Schweiz. Die fehlende gegenseitige nautische Anerkennung stünde dem Erhalt der deutschen Flagge also nicht mehr im Wege. Aber es wäre ein sehr langwieriger Weg. Ein Hinweis für alle deutschen Segler, die meinen ihr Flaggenzertifikat beim ADAC usw. wäre doch ganz unkompliziert: INVIA ist über 15m lang und muss daher zwingend ins Schiffsregister, das von den Registergerichten geführt wird. Abgesehen davon dass ein Flaggenzertifikat kein Eigentumsnachweis ist und es daher nicht alle Länder anerkennen.
Aus unseren Versuchen in 2017 haben wir noch die Kopie eines offiziellen Schiffsmessbriefs des BSH. Beim BSH hatten wir seinerzeit sehr kompetente Mitarbeiter angetroffen. Möglicherweise würde man uns dort unkompliziert, basierend auf der 2017 gemachten offiziellen „Vermessung“, einen neuen Messbrief ausstellen. Dennoch sind wir weiterhin Auslandsdeutsche. Ob die seinerzeitigen Hindernisse bei den Registergerichten inzwischen ausgeräumt sind? Wir wissen es nicht.
Eine Anfrage der capitania beim Registergericht Duisburg, mit dem wir damals gut zusammenarbeiten konnten, bleibt ohne Antwort. Dank Coronavirus und Homeoffice stehen unsere Chancen sehr schlecht, dort kurzfristig einen arbeitswilligen Rechtspfleger anzutreffen. Da wir die Kundenfreundlichkeit deutscher Behörden noch zur Genüge kennen, lassen wir die Finger von dem Gedanken deutsche Registrierung. Der Prozess würde sicher Monate dauern, und unzählige Besuche für notarielle Beglaubigungen und Apostillen erfordern.
Im Internet finden wir diverse Anbieter, die eine EU Registrierung anbieten. Polen soll für Yachten unter 24m Länge sehr schnell gehen. Hmpf. Ausgerechnet ein Land, das ich gleich 2 mal mit dem Diebstahl meines Autos verbinde. Aber gut – beide Diebstähle sind Jahrzehnte her. Trotzdem: Grmpf. Aargh. Nicht wirklich, oder? Doch. Die Kosten sind überschaubar, und auch nur einmalig zu zahlen. Dass ich eine UK und keine polnische MMSI bekomme, verstehe ich nicht so ganz – aber seis drum.
Natürlich geht es nicht wie angekündigt in 3 – 4 Tagen. Wir warten inzwischen seit 3 Wochen. Mit ein Grund ist allerdings, dass unsere Original-Unterschrift auf einigen Dokumenten nötig ist. In der Cruz Bay gehen wir zur US-Post und senden die Dokumente per internationalem Priority-Express. Zustelldauer nach Europa angeblich 2-3 Tage. Ich verfolge die Sendung über den mitgeteilten Tracking Code. Als die Sendung nach mehr als 1 Woche immer noch in Miami steckt haben wir genug. Wir fahren mit INVIA rüber auf die Insel St Thomas, ankern in der Lindbergh Bay beim Flughafen und gehen zu DHL. Schicken die gleichen Dokumente nochmal. Die DHL-Express-Lieferung kostet die Hälfte dessen, was die US Post verlangte. Am Donnerstag aufgegeben ist die Lieferung bereits tags drauf auf dem Weg nach Amsterdam, wo sie Samstag morgens eintrifft. Am morgigen Montag sollte sie bei der Agentur in Leeuwarden (Holland) sein. Mal sehen, wie es dann weiter geht.
Inzwischen sind wir entspannter.
Denn: Curacao will seine Grenzen öffnen. Egal, welche Flagge das Schiff hat.
Die ABC´s wären ohnehin unser Plan A (nach Eintritt der Covid-Sperren) gewesen.
Details sind noch nicht kommuniziert. Angeblich wird gefordert, das Schiff in der Marina zu lassen. Während sich die gesamte Crew für 14 Tage in eine Art Gefängnis – Hotel begeben muss. Kosten von 145 USD/Person & Tag zzgl. der Marinagebühr fürs Schiff. Teuer – und vor allem dämlich: 14 Tage lang eingepfercht mit anderen möglicherweise infizierten Personen – welchen Sinn macht das? Egal, es ist zumindest eine Option, wenn Martinique nicht klappen sollte. Und noch ist das letzte Wort in Curacao nicht gesprochen. Die Outremer-Owners Gruppe auf Facebook ist in Sachen Curacao sehr aktiv, hat auch gute Verbindungen vor Ort. Mal sehen, was am Ende rauskommt.
Eine Antwort auf „Abschiede – und eroberte Polen die Schweiz?“